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[00:00:02.810] – Dr. Falk Wienhold, PHINEO gAG

Um eine Fokusgruppen anzuwenden, empfehlen wir die folgenden fünf Schritte Erstens das Erkenntnisinteresse definieren. Zweitens die Teilnehmenden der Fokusgruppe auswählen. Drittens eine Moderation wählen und einführen. Viertens ein Leitfaden und ein Anfangs-Statement erstellen. Und fünftens die Fokusgruppe durchführen und in geeignetem Format dokumentieren. Abschließend erfolgt, wie nach allen Methoden der Datenerhebung, die Daten-Auswertung und -Interpretation sowie das Ableiten von Handlungsempfehlungen.

[00:00:37.170] – Charlotte Buttkus, PHINEO gAG

Schauen wir uns diese Schritte einmal etwas genauer an.

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Schritt 1: Erkenntnisinteresse definieren. Was heißt das genau? Das bedeutet, dass man entscheidet, welches Thema oder eingegrenzte Fragestellungen diskutiert werden soll und zu welchem Zweck.

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Schritt 2: Teilnehmende der Fokusgruppe auswählen Bei der Auswahl können die folgenden Fragen helfen: Welche Personen oder Stakeholder können verschiedene Sichtweisen zu der Fragestellung beitragen? Und wer sollte unbedingt dabei sein? Dass bestimmte Personen unbedingt dabei sein sollten, kann unterschiedliche Gründe haben, etwa eine Person, die das Projekt oder Programm besonders gut kennt, wie Projektmitarbeitende oder Kooperationspartner*innen oder wenn jemand besonders davon betroffen ist, wie etwa jemand aus der Zielgruppe oder weil jemand eine besonders positive oder besonders kritische Haltung zum Projekt hat. Es kann aber auch eine Person sein, mit einer hohen Fachexpertise im Themenfeld. Beim Ansprechen der potentiell Teilnehmenden ist es wichtig, sie darüber zu informieren, welchen Zweck die Fokusgruppe hat und wie die Daten dokumentiert werden sollen. Außerdem ist es wichtig, ihr Einverständnis einzuholen.

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Schritt 3: Moderation wählen und einführen. Für die Qualität der Daten hat die Moderation eine zentrale Rolle. Deshalb benötigt sie auch ein relativ hohes Maß an Expertise. Um Verzerrungen der Aussagen der Teilnehmenden zu vermeiden, also z.B. in Richtung soziale Erwünschtheit, bietet es sich aber an, eine Person zu wählen, die ansonsten keine Rolle im Projekt hat, die also von den Teilnehmenden als neutrale Person wahrgenommen wird.

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Schritt 4: Einen Leitfaden und ein Anfangs-Statement erstellen. Dazu sollte man verschiedene Aspekte der zu untersuchenden Fragestellungen sammeln, gegebenenfalls clustern und in eine sinnvolle Reihenfolge bringen. Auf dieser Basis erstellt man dann den Leitfaden, der den Ablauf vorgibt und auch das Anfangs- Statement definiert.

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Schritt 5: jetzt wird die Fokusgruppe durchgeführt und die Daten in geeignetem Format dokumentiert. Die Dauer sollte dabei 90 Minuten möglichst nicht überschreiten. Die Fokusgruppe startet dann zumeist mit einem kontroversen Anfangs-Statement durch die Moderation. Zentrale Aufgabe während der Durchführung ist es dann, die Diskussion der Teilnehmenden untereinander möglichst gut zu steuern. Zur Steuerung durch die Moderation gehört es, den Fokus der Diskussion auf das Thema beizubehalten. Es gehört auch dazu, darauf zu achten, dass die generierten Informationen nützlich sind. Das bedeutet z.B., dass man nachfragt, wenn eine Aussage einen geringen Informationsgehalt hat oder wenn sie unklar oder unverständlich ist. Eine weitere Aufgabe ist es, die Beiträge der Teilnehmenden so zu steuern, dass auch wirklich alle Teilnehmenden zu Wort kommen können.

[00:03:50.680] – Dr. Falk Wienhold, PHINEO gAG

Für die Dokumentation der Fokusgruppen gibt es verschiedene Möglichkeiten, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben. Man kann die Fokusgruppe per Video aufnehmen, nur den Ton aufnehmen, schriftlich live protokollieren oder die Ergebnisse für alle Teilnehmenden gut sichtbar festhalten z.B. an einer Metaplan Wand oder auf einem Flipchart. Damit das Ganze am Ende auch Hand und Fuß hat., also sowohl die Datenqualität hoch ist als auch wirklich relevante Informationen generiert werden, ist die Zusammensetzung der Gruppe ganz entscheidend.

[00:04:34.260] – Dr. Falk Wienhold, PHINEO gAG

Hier spielt zunächst einmal die Anzahl der Teilnehmenden eine wichtige Rolle. Eine sinnvolle Gruppengröße liegt etwa zwischen 5 und 15 Personen. Wenn es eher darum geht, wirklich tief in eine Fragestellung einzutauchen, dann braucht es eher eine kleinere Gruppe. Wenn man aber eher viele verschiedene Facetten abbilden möchte oder viele unterschiedliche Stakeholder einbinden möchte, dann braucht es eine größere Gruppe. Zudem ist zu überlegen, wie homogen oder heterogen die Gruppe zusammengesetzt sein sollte. Hiermit meinen wir nicht Unterschiede in soziodemographischen Merkmalen wie Alter oder Geschlecht. Sondern es geht darum, inwiefern die Teilnehmenden unterschiedliche Perspektiven oder Meinungen zum Thema der Fokusgruppe haben. Je nach Zweck und Erkenntnisinteresse würde man eine Gruppe eher homogen oder heterogen zusammensetzen. Wenn es z.B. darum geht, einen Konsens auszuhandeln, wird das durch eine homogene Gruppe erleichtert. Wenn es aber darum geht, die Bandbreite von Meinungen verschiedener Stakeholder aufzuzeigen, dann eignet sich eher eine heterogene Gruppe.

[00:05:39.740] – Charlotte Buttkus, PHINEO gAG

Unser Tipp: Wenn es unterschiedliche Hierarchiestufen oder Macht-Unterschiede anderer Art bei den Teilnehmenden gibt, dann kann es hilfreich sein, diese in Untergruppen aufzuteilen, um eine offene Gesprächsatmosphäre zu ermöglichen. Die Einführung kann dabei gemeinsam erfolgen und dann werden die Teilnehmenden in die entsprechenden Untergruppen aufgeteilt. Das muss aber im Vorhinein so geplant werden, weil dann jede Untergruppe einzeln moderiert und dokumentiert werden muss.

Kernaussagen

  1. Der erste Schritt bei der Fokusgruppe ist die Eingrenzung der Fragestellung.
  2. Darauf basierend werden Teilnehmende rekrutiert, die Moderation ausgewählt und der Gesprächsleitfaden entwickelt.
  3. Bei der Moderation der Fokusgruppe ist es wichtig, die verschiedenen Sichtweisen einzubeziehen, die Diskussion am Laufen zu halten und die Ergebnisse in geeignetem Format zu dokumentieren.


Übung


Wissen vertiefen

In diesem Video gehen wir auf die Durchführung und Dokumentation von Fokusgruppen näher ein. Dieses Video ist als Ergänzung zur Erhebungsmethode Fokusgruppe gedacht, für alle, die noch tiefer in das Thema eintauchen wollen.

[00:00:01.740] – Dr. Franziska Pfitzner-Eden, PHINEO gAG

Jetzt schauen wir uns einmal etwas detaillierter an, wie man eine Fokusgruppe durchführen kann und wie man die Daten der Fokusgruppe gut dokumentieren kann. Gehen wir dafür einmal vom Beispiel einer Fokusgruppe für eine Wirkungsanalyse aus.

[00:00:19.760] – Dr. Franziska Pfitzner-Eden, PHINEO gAG

Anfangs stellt die Moderation sich selbst und gegebenenfalls ihre Moderationsassistenz vor und erläutert, welche Rolle die Moderation im Rahmen der Fokusgruppe einnimmt. Dann informiert die Moderation die Teilnehmenden über den Zweck der Fokusgruppe und auch über die Auswahl der Teilnehmenden. Also warum gerade ihr Beitrag für das Ergebnis der Fokusgruppe wichtig ist. Außerdem informiert sie noch über die Rahmenbedingungen der Fokusgruppe, über den zeitlichen Ablauf, Umfang, über den Datenschutz, über die Dokumentation der Daten und über die Verwendung der Aussagen. Hiernach stellen die Teilnehmenden sich kurz vor. Dabei benennen sie ihren Bezug zum Projekt bzw. ihre Rolle im Projekt oder Programm. Das ist auch wichtig, wenn die Teilnehmenden sich bereits kennen. Und mehr Zeit sollte man dafür einplanen, wenn die Teilnehmenden sich noch nicht kennen, damit am Ende auch wirklich allen klar ist, wer welche Rolle im Projekt hat.

[00:01:22.850] – Dr. Franziska Pfitzner-Eden, PHINEO gAG

In einem nächsten Schritt vereinbart die Moderation Diskussionsregeln mit den Teilnehmenden. Das kann sowas sein wie andere ausreden lassen, offen und ehrlich die eigene Meinung sagen und nicht ewig rum schwafeln. Außerdem sichert die Moderation den Teilnehmenden einen geschützten Raum zu, indem sie sich offen äußern können und sollen. Jetzt gibt die Moderation einen kurzen Input zum Thema als Start in die Diskussion. Dafür eignen sich meist provokante Statements, um die Diskussion anzuregen. Da könnte man z.B. sowas sagen wie Kritiker*innen des Programms würden vielleicht sagen, dass hier “viel Geld für wenig Wirkung ausgegeben wurde”. Befürworter*innen hingegen würden vielleicht sowas sagen wie “dieses Programm ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man Veränderungen bei schwer erreichbaren Zielgruppen bewirken kann”. Wie stehen Sie dazu? Die Moderation regt immer wieder die Diskussionen an und hält sie am Laufen und gegebenenfalls steuert sie sie auch wieder zurück zum Thema, wenn die Teilnehmenden abschweifen. Außerdem reguliert die Moderation die Beiträge der Teilnehmenden in einem gewissen Maß immer mit dem Ziel, dass alle Teilnehmende ähnlich beitragen können. Dazu gehört z.B. Vielredner*innen zu stoppen und ruhige Personen gezielt einzubinden. Wichtig ist dabei, dass man nicht übersteuert, sondern dass man den Teilnehmenden Raum gibt, damit sich auch eine tiefergehende Diskussion natürlich entwickeln kann. Die Moderation fasst während der Gruppendiskussionen die bisherigen Meinungen und Erkenntnisse immer mal wieder zusammen und ordnet diese vorsichtig als Gruppen- oder Individual-einungen ein. Die Fokusgruppen endet dann mit einer abschließenden Zusammenfassung entweder nur durch die Moderation oder ergänzt um Abschluss Statements der Teilnehmenden.

[00:03:32.900] – Charlotte Buttkus, PHINEO gAG

Um die Fokusgruppen sinnvoll zu dokumentieren und Daten zu generieren, gibt’s verschiedene Möglichkeiten, die wir uns im Folgenden einmal genauer anschauen wollen. Zunächst gibt’s mal die Möglichkeit von Live-Aufnahmen z.B. Video oder Ton. Ein Nachteil von Live-Aufnahmen, vor allem mit Bild kann sein, dass sie relativ aufdringlich sind. Das kann dazu führen, dass sich Teilnehmende eventuell vorsichtiger oder weniger offen äußern, wobei Teilnehmende oft nach einiger Zeit vergessen, dass sie gerade aufgenommen werden. Und das ist vor allem auch dann der Fall, wenn die Aufnahmegeräte relativ unauffällig sind. Ein großer Vorteil von Live-Aufnahmen ist, dass man einen hohen Detailgrad der Daten hat. Es gehen also fast keine Informationen verloren. Der Vorteil von Video-Aufnahmen gegenüber reinen Tonaufnahmen ist dann, dass es einfacher ist, die Sprechenden zu identifizieren. Das sorgt dann dafür, dass es nicht zur Verwirrung bei der Zuordnung von Aussagen zu bestimmten Teilnehmenden kommt. Außerdem kann man bei Videoaufnahmen auch nicht verbale Kommunikation mit berücksichtigen. Bei der Analyse der Daten und das sind z.B. Gesichtsausdruck oder Körperhaltung. Beide Dokumentationsformen, also Audio- oder Videoaufnahmen, nutzt man vor allem, wenn man die Aussagen der Teilnehmenden transkribieren möchte. Das ist vor allem dann nötig, wenn man einen hohen, mitunter wissenschaftlichen Anspruch an die Datenanalyse hat. Aufnahmen zu transkribieren ist dabei relativ zeitaufwändig, selbst wenn man neuere Softwarelösungen dafür nutzt. Und bei der Analyse der Daten dieser Transkripte geht man dann wieder vor wie bei der normalen qualitativen Datenanalyse.

[00:05:12.590] – Charlotte Buttkus, PHINEO gAG

Eine andere Form der Dokumentation ist der schriftliche Live Protokollieren. Dies kann mit einem unterschiedlichen Detailgrad erfolgen. Man kann entweder versuchen, alles Gesagte zu dokumentieren oder man kann direkt eine Auswahl treffen und nur Kernaussagen protokollieren. Prinzipiell hat Live protokollieren den Vorteil, dass es sehr unaufdringlich ist und deshalb die Offenheit der Teilnehmenden weniger stark einschränkt. Und wenn man das Protokoll direkt digital erstellt, dann erspart man sich auch den Schritt des Abtippen des Geschriebenen. Nachteile im Vergleich zu Live-Aufnahmen sind das man hier eine geringere Datenqualität hat, da man meist nicht alles Gesagte dokumentieren kann und auch Informationen zu Körpersprache, Ton und Emotionen verloren gehen. Und ein weiterer Nachteil: Man hat zumindest in der Durchführung der Fokusgruppen einen höheren Aufwand an Ressourcen, weil man hier zusätzlich zur Moderation noch mindestens eine weitere Person braucht, die das Ganze protokollieren kann.

[00:06:13.430] – Charlotte Buttkus, PHINEO gAG

Dieser Aufwand fällt weg, wenn man sich für die Methode der offenen Dokumentation von Kern-Ergebnissen entscheidet. Diese Kern-Ergebnisse werden für alle sichtbar festgehalten, z.B. an einer Meta Plan Wand oder am Flipchart. Es kann sowohl von Vor- als auch von Nachteil sein, dass diese Methode für die Teilnehmenden sichtbar ist und dass sie Einfluss auf das Dokumentierte nehmen können. Von Vorteil kann es sein, weil so etwa eine falsch verstandene Aussage zurechtgerückt werden kann oder weil die Diskussion besser strukturiert werden kann, weil beispielsweise alle sehen, welche Punkte schon abgearbeitet sind. Von Nachteil kann sein, dass das Dokumentierte dann im gewissen Maß auch mit den Teilnehmenden abgestimmt werden muss. Außerdem geht so relativ viel von dem Gesagten verloren. Vorteil ist, dass dies sehr effizient sein kann, denn man hat am Ende der Fokusgruppe direkt Ergebnisse in der Hand.

[00:07:08.530] – Charlotte Buttkus, PHINEO gAG

Abschließend lässt sich sagen, dass man für die meisten nicht wissenschaftlichen Anwendungsfälle kein komplettes Transkript braucht, sondern schon sehr gut mit Kernaussagen arbeiten kann. Es kann aber hilfreich sein, zusätzlich eine Ton- oder Videoaufnahme zu machen, weil man dann im Nachhinein das Festgehaltene besser nachvollziehen kann. Oder nochmal auf andere Facetten und Zwischentöne achten kann.

Jetzt kennst du unterschiedliche Erhebungs-Methoden und wie du sie anwenden kannst.

Jetzt musst du nur noch wissen, wie du deine gesammelten Daten auswertest und welche Unterschiede du bei einer quantitativen und einer qualitativen Datenauswertung beachten musst.