[00:00:01.450] – Annalena Rehkämper, PHINEO gAG
Nachdem ihr euch einen Überblick über die Akteure und Bedarfe im Handlungsfeld verschafft habt, ist nun der Zeitpunkt gekommen, den Blick nach vorne zu richten. Wo wollt ihr mit eurer Arbeit hin? Das beschreibt ihr konkret in eurer Vision.
[00:00:15.850] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Was ist eine Vision? Eine Vision beschreibt kurz und prägnant, wie die Gesellschaft idealerweise für euch aussieht, wie ihr also mit eurer Arbeit die Gesellschaft verändert. Und das in einem Zeitraum von, sagen wir mal, die nächsten fünf bis 20 Jahre. Abhängig von eurem Projekt bezieht sich dabei die Vision entweder auf einen Stadtteil, auf eine Region, auf das Land oder, wenn man ganz groß denkt, auf die ganze Welt. Die Vision ist das positive Gegenbild zu den gesellschaftlichen Herausforderungen, um die ihr euch täglich kümmert.
[00:00:51.100] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Wenn ihr z.B. eine Organisation seid, die sich darum kümmert, die Jugendarbeitslosigkeit im Stadtteil zu reduzieren, dann ist eure Vision vermutlich, dass die Jugendarbeitslosigkeit im Stadtteil gesunken ist. Das kann man jetzt auch ein bisschen positiver und noch etwas breiter, also quasi etwas visionärer formulieren, und sagen, die Vision ist, dass nicht nur die Jugendlichen im Stadtteil in den Job gekommen sind, sondern dadurch auch die Chance auf selbstbestimmte Teilhabe am Leben.
[00:01:22.000] – Annalena Rehkämper, PHINEO gAG
Im Rahmen des Gemeinsamen-Wirken-Ansatzes gehen wir jetzt noch einen Schritt weiter. Wir betrachten nicht nur einen Teil der gesellschaftlichen Herausforderungen, also in unserem Beispiel die Jugendarbeitslosigkeit, sondern wir treten nochmal einen Schritt zurück, zoomen sozusagen raus, und betrachten das System bzw. das Umfeld, innerhalb dessen das Problem auftritt. Unsere Vision bezieht sich dann sowohl auf das gesellschaftliche Problem als auch auf das Umfeld, in dem dieses Problem entsteht oder auch weiterbesteht. Wir könnten in unserem Beispiel unsere Vision jetzt also ergänzen. Wenn die Vision lautet „Jeder junge Mensch kann die Gesellschaft mitgestalten“, dann könnten wir das erweitern um: „und findet dafür ein bestärkendes unterstützendes Umfeld vor“. Hier geht es also darum, dass wir nicht nur auf die Zielgruppe schauen, sondern auf das gesamte System.
[00:02:15.470] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Wozu braucht es eigentlich eine Vision? Die Vision ist gewissermaßen der Leuchtturm in unserer Gemeinsam-Wirken-Reise. Auch bei Kurskorrekturen bleibt die Vision nämlich für uns als Orientierungspunkt bestehen. Die Vision hilft uns dabei, wenn wir Anpassungen vornehmen oder auch mal Dinge während des Prozesses verändern, dass wir auf unser übergeordnetes Ziel fokussiert bleiben. Und gerade beim Gemeinsamen Wirken, wo wir meistens sehr unterschiedliche Akteure mit verschiedenen Ansätzen am Tisch sitzen haben, hilft es uns, diese Ansätze auf ein gemeinsames Ziel auszurichten.
[00:02:52.480] – Annalena Rehkämper, PHINEO gAG
Um loslegen zu können, braucht ihr erst einmal für euch in eurer Organisation ein Bild, wo ihr hinwollt. Also ein Bild, das nochmal verdeutlicht, in welche Richtung eure Initiative gehen soll und welchen Zielzustand ihr anstrebt. Zu einem späteren Zeitpunkt erarbeitet ihr dann nochmal mit eurem Projektpartnerinnen und -partnern eine gemeinsame Vision als Grundlage für eure Zusammenarbeit.
[00:03:18.250] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Achtet darauf, dass ihr nicht nur das gesellschaftliche Problem in den Blick nehmt, sondern das gesamte Umfeld bzw. das gesamte System. Es ist absolut sinnvoll, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass andere Akteure vielleicht ganz andere Sichtweisen, ganz andere Interessen oder ganz andere Ansätze haben. Um diese Akteure trotzdem ins Boot zu bekommen, ist es natürlich gut, eine Vision zu haben, die diesen verschiedenen Akteuren mit ihren Interessen genügend Raum bietet. Man kann sich die Vision vorstellen wie einen Schirm. Idealerweise ist er groß genug, dass alle, die möchten, darunter Platz finden.
[00:03:55.290] – Annalena Rehkämper, PHINEO gAG
Achtet drauf, dass ihr innerhalb eurer Organisation alle relevanten Personen mit einbezieht. Und wenn notwendig, holt euch auch nochmal Input von externen Stakeholdern oder Expertinnen und Experten, allen voran von der Zielgruppe selbst. Schaut während des laufenden Prozesses immer mal wieder auf eure Visionen. So könnt ihr eure Aktivitäten und Maßnahmen mit Blick auf euer Ziel überprüfen.
[00:04:19.310] – Alina Sottmann, coach@school e. V., Hamburger Bücherkoffer
Die Vision beim Bücherkoffer ist, dass Kinder gleiche Bildungschancen haben. Es ist aber auch eine Vision, dass Menschen in ihrer Haltung offen hinsichtlich Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt sind. Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der das Türkische, das Arabische, das Polnische genauso einen Wert hat wie das Englische oder das Französische oder das Spanische. Das als Mehrwert zu begreifen und das auch in der Gesellschaft als Mehrwert zu sehen, es auch als förderwürdig zu sehen, es anzuerkennen, es wertzuschätzen, das ist das Ziel des Bücherkoffers. Eine gemeinsame Vision zu erstellen ist vielleicht der erste Reibungspunkt, wo man miteinander ins Ausloten kommt. Mein Anspruch, dein Anspruch, der Anspruch von noch jemand anderem. Und wie kriegen wir das dann auf ein Wording, in eine Sprache zusammengefasst? Und es wird vielleicht das erste Mal die Erfahrung sein, ich kann mich nie durchsetzen mit dem, was ich bislang für meine Organisation definiert hätte.
Und vielleicht entsteht hier aber auch schon der Punkt, wo man merkt, ach super, guck mal, da sind andere Leute dabei, die können total gut texten oder die haben einfach nochmal einen Blick für das große Ganze oder für einen ganz anderen speziellen Aspekt, der mir persönlich gar nicht eingefallen wäre.
[00:05:50.140] – Alina Sottmann, coach@school e. V., Hamburger Bücherkoffer
Also man kann, glaub ich, in diesem Arbeitsschritt viel lernen. Aber ich gebe auch zu, dass es manchmal auch sehr mühsam ist, weil man eben schon auch an Punkte kommt, wo es wirklich um wichtige Dinge geht. Und man darf sich dafür Zeit nehmen. Das ist nicht etwas, was man in einer Stunde mal eben so schnell fertig gemacht hat, sondern man braucht ein bisschen Zeit dafür, um dann wirklich etwas zu haben, wo auch möglichst alle hinterstehen. Das ist der erste Kompromiss, den man in seiner Verantwortungsgemeinschaft meist findet.
Wie sollte eine Vision formuliert sein?
Eine Vision ist also nicht nur ein „nice to have“, sondern bildet eine wichtige Grundlage und einen Orientierungspunkt für die Arbeit gemeinnütziger Organisationen. Was macht eine gute Vision aus?
- Eine gute Vision zeichnet ein möglichst konkretes und positives Bild der Zukunft, für das sich sowohl die umsetzenden Akteur*innen selbst als auch ihre Stakeholder begeistern können.
- Beim Gemeinsam Wirken ist besonders wichtig, dass die Vision sowohl breit genug ist, dass sich viele Akteur*innen damit identifizieren, als auch klar genug, dass sie motiviert.
- Die Vision sollte klar, ambitioniert, optimistisch, aber doch erreichbar sein, wenn alles gut läuft.
- Sie sollte „kurz und knackig“ formuliert sein, damit sie gut hängenbleibt.
Die folgende Vorlage unterstützt dich dabei, die Vision für eurer Gemeinsam Wirken Vorhaben zu präzisieren und zu formulieren. Es lohnt sich, gemeinsam im Team und auch wenn Partner*innen an Bord sind mit ihnen gemeinsam an der Vision und ihrer Formulierung zu feilen. Denn eine Vision, mit der sich alle identifizieren können, gibt Antrieb und Motivation für die anstehenden Herausforderungen.