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[00:00:01.070] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Wie erfolgreiche Zusammenschlüsse wirklich funktionieren und wo die Stolpersteine liegen, dazu gibt’s mittlerweile viele Erfahrungen aus verschiedensten Projekten. Und wenn man sich die Projekte anguckt, dann kann man da Ansätze draus ziehen, z.B. Kriterien, Prinzipien und Best Practice. Und wie einem Gemeinsam Wirken dabei helfen kann und welche Bestandteile davon besonders wichtig sind, das schauen wir uns jetzt zusammen an. Wichtig beim Gemeinsam Wirken ist: Es ist kein starres, kein theoretisches Konzept, nichts, was man irgendwie auswendig lernen müsste, sondern es ist eine Sammlung an Tools, an Prozessen und an Haltungen.
[00:00:40.430] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Und die drei zusammen helfen dabei, Gemeinsam Wirken wirklich gut umzusetzen. Also es ist nicht so, dass Gemeinsam Wirken das Rad komplett neu erfindet. Ehrlich gesagt bin ich mir sicher, dass ganz viele von euch in der täglichen Projektarbeit Bestandteile von gemeinsamem Wirken schon ganz selbstverständlich nutzen. Beim gemeinsamen Wirken geht es jetzt darum, an genau diese Bestandteile anzuknüpfen und sie in ein größeres System zu übertragen. Sprich, ich trete ein Stück von meiner operativen Projektarbeit zurück und sehe den größeren Kontext.
[00:01:11.060] – Jacob Rohm, PHINEO gAG
Gemeinsam Wirken besteht aus drei Bausteinen: Systemisch denken, Kooperation und Wirkungsorientierung. Erster Baustein: systemisch denken. Die Begriffe systemisch und systemisch denken werden in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich genutzt. Uns geht es hier nicht darum, eine wissenschaftliche Systemtheorie darzustellen, sondern es geht um die Haltung, also um eine systemische Haltung. Wie geht man an einen Akteur, an Kooperation oder auch an eine Herausforderung heran? Und mit welchen Methoden guckt man sich das Ganze an?
[00:01:47.480] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Was bedeutet systemisch denken? Ein Denken, das sich aufs gesamte System bezieht. Soziale Systeme werden beispielsweise von ganz verschiedenen Faktoren beeinflusst. Und um es noch komplizierter zu machen, beeinflussen die sich noch permanent gegenseitig. Wir neigen dazu, uns nur auf einen Faktor zu fokussieren. Das heißt, dass wir z.B. in unserer Projektarbeit uns nur darum kümmern, Gesetze zu verändern. Oder wir setzen nur Angebote für unsere Zielgruppen um. Oder vielleicht machen wir auch nur Kampagnen, um Aufmerksamkeit auf unser Thema zu lenken.
[00:02:20.570] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
In den seltensten Fällen haben wir all diese Faktoren gleichzeitig im Blick. Systemisches Denken kann uns hier helfen. Es kann uns nämlich helfen, ein Stück zurückzutreten, die Perspektive nochmal zu weiten und uns alle diese Faktoren im Ganzen anzuschauen. Ein weiterer wichtiger Unterschied zum „üblichen“ Denken ist, dass der Status Quo ein bisschen in den Hintergrund rückt. Wir machen uns ein bisschen weniger Gedanken darum, was heute passiert oder morgen, also was im Jetzt stattfindet. Sondern wir fangen an, in ganz anderen zeitlichen Horizonten zu denken. Wir überlegen, was passiert in Zukunft und in welche größeren Entwicklungen bettet sich unser Projekt ein? Systemisches Denken heißt, in größeren und dynamischen Zusammenhängen zu denken.
[00:03:00.500] – Jacob Rohm, PHINEO gAG
Zweiter Baustein: Kooperation. Vielleicht kennt ihr von eurer Arbeit auch diese Netzwerktreffen, wo man am Ende rausgeht und sich fragt, wofür habe ich eigentlich diese ganze Zeit aufgewendet? Der Austausch von Informationen ist zwar ein guter erster Schritt, beim gemeinsamen Wirken gehen wir aber noch weiter. Wie der Name schon sagt, geht es beim gemeinsamen Wirken darum, Herausforderungen gemeinsam mit Partnern und wirkungsorientiert anzugehen.
[00:03:26.630] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Gemeinsam Wirken hat ganz viele Gesichter. Wenn es um Größe, Zusammensetzung, Dauer oder Intensität geht, kann das ganz unterschiedlich aussehen. Kooperation kann sich entlang von aufeinander aufbauenden Angeboten entwickeln. Nehmen wir das Beispiel von einer Bildungskette. Da kann ich Akteure ins Boot holen, die Kinder und Jugendliche vom Grundschulalter bis zum Berufseinstieg begleiten. Oder ich suche mir eine ganz konkrete Zielgruppe, sagen wir mal Jugendliche im Alter zwischen 16 und 18 Jahren. Und ich hole mir Akteure ins Boot, die mit verschiedenen Handlungsansätzen versuchen, diese Jugendlichen zu unterstützen, beispielsweise durch Hausaufgabenhilfe oder durch Berufsorientierung.
[00:04:08.180] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Stichwort Akteure im Boot: Die kommen idealerweise aus ganz verschiedenen Sektoren und arbeiten interdisziplinär zusammen. Verschiedene Sektoren heißt in dem Fall zum Beispiel aus Politik, aus Wirtschaft oder aus dem zivilgesellschaftlichen Sektor. Wie verbindlich die zusammenarbeiten, da gibt’s ganz viele Möglichkeiten vom festen Zusammenschluss, der sogar nach außen als eine rechtliche Einheit auftritt, bis zum losen Netzwerk ist das quasi alles möglich.
[00:04:38.110] – Jacob Rohm, PHINEO gAG
Und schließlich der dritte Baustein: Wirkungsorientierung. Über Wirkungsorientierung wird im gemeinnützigen Sektor viel gesprochen. Aber was bedeutet Wirkungsorientierung für Gemeinsam Wirken?
[00:04:47.760] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Im Rahmen von Gemeinsam Wirken bedeutet Wirkungsorientierung, dass die Zusammenarbeit darauf angelegt ist, Wirkung zu erzielen. Das wird zusammen mit den Partnerinnen und Partnern im Zusammenschluss geplant und umgesetzt. Wie funktioniert das jetzt genau? Anfangs schaut man sich zusammen an, was sind eigentlich die gesellschaftlichen Herausforderungen und was sind die Ursachen für sie? Anschließend schaut man sich an, welche Wirkungen möchten wir erzielen und formuliert daraus Wirkungsziele. An diesen Wirkungszielen wird sich später im Verbund die Zusammenarbeit ständig orientieren. Dabei stehen die Zielgruppen und ihre Bedarfe im Mittelpunkt. Das heißt, wir beziehen aktiv die Zielgruppen in die Planung und in die Entscheidungsfindung mit ein.
[00:05:31.790] – Jacob Rohm, PHINEO gAG
Die drei Bausteine nochmal kurz zusammengefasst. Systemisch Denken hilft dabei, das große Ganze in den Blick zu nehmen und die relevanten Stellhebel zu identifizieren. Kooperation hilft dabei, verschiedene Akteure an einen Tisch zu bringen, um mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen tragfähige Lösungen zu entwickeln. Und Wirkungsorientierung hilft, die Bedarfe der Zielgruppen zu erkennen und danach zu handeln. Wichtig fürs gemeinsame Wirken ist, dass die Bedarfe der Zielgruppen und die gesellschaftliche Herausforderung oder auch das gesellschaftliche Potenzial, das ihr realisieren wollt, zentral im Blick bleiben und die verschiedenen Akteure ihr gemeinsames Handeln darauf ausrichten.
[00:06:14.390] – Julia Kaesemann, PHINEO gAG
Wichtig ist dabei auch, egal ob vier kleine Non-Profits oder 200 riesige, egal ob alle aus einem einzigen Sektor kommen oder ob der Zusammenschluss buntgemischt ist, über verschiedene Sektorengrenzen hinweg und auch egal, ob es ein ganz fester Zusammenschluss ist oder nur ein loses Netzwerk, das sich für den Informationsaustausch trifft. Es gibt kein besser oder schlechter. Es gibt auch kein richtig oder falsch an dieser Stelle. Wie ihr euren Zusammenschluss gestaltet, das orientiert sich ganz allein an den konkreten Bedarfen und der erwünschten Wirkung.
[00:06:48.560] – Martin Herrndorf, AGORA Köln e. V, Tag des guten Lebens
Das Systemische und das Praktische das können Gegensätze sein. So wird es dann ja oft auch erzählt. Entweder ich denke systemisch oder ich denke praktisch. Ich glaube, dass ist ein Scheingegensatz. Wenn ich systemisch Veränderungen erzeugen möchte, kann ich das paradoxerweise oft über konkrete Praxis machen. Das Erleben von der freien Straße setzt so viele Dinge in Gang, an ganz unterschiedlichen Ecken, das kann man schwer auf den theoretischen Nenner bringen. Das, was bei den Leuten passiert, die darüber laufen, wenn sie das dann tatsächlich erleben.
[00:07:24.920] – Alina Sottmann, coach@school e. V., Hamburger Bücherkoffer
Die Erwartungen an Gemeinsam Wirken, an die Verantwortungsgemeinschaft: Da muss man auch ein bisschen gucken, was man bis wann geschafft haben kann, gerade am Anfang. Es braucht eine ziemlich lange Zeit, bis so eine Einheit wirklich ins Laufen kommt und die Teilnehmer sich identifizieren und selbst Dinge übernehmen und selbst Verantwortung übernehmen. Und da ist es wichtig, dass man das in der eigenen Planung auch im Blick hat. Man kann nicht davon ausgehen, dass Menschen zusammenfinden und binnen zwei, drei, vier Monaten sofort Feuer und Flamme sind und losrennen.
Das nur aus meiner Erfahrung, was so Stolpersteine angehen kann, dass man am Anfang vielleicht auch manchmal so ein bisschen denkt: Ach, wir müssen doch, wir wollen doch irgendwo hin, es muss doch etwas passieren, wir müssen vorwärts gehen. Es braucht Zeit am Anfang! Und wenn das gut aufgesetzt ist, dann geht’s auch richtig rund.
Wie die einzelnen Bestandteile bei Gemeinsam Wirken zusammenspielen:
- Systemisch Denken hilft dabei, das “große Ganze” in den Blick zu nehmen und die relevanten Stellhebel zu identifizieren.
- Kooperation hilft dabei, verschiedene Akteur*innen an einen Tisch zu bringen, um mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen tragfähige Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.
- Wirkungsorientierung hilft, die Bedarfe der Zielgruppe zu erkennen und danach zu handeln.
Wirkungsorientiertes Projektmanagement
Wenn du dich intensiver mit dem Thema Wirkungsorientierung auseinandersetzen möchtest, bietet unser Kurs “Wirkung analysieren” einen optimalen Einstieg in die Grundlagen effektiven Arbeitens in sozialen Kontexten.
Dort lernst du unter anderem:
- Was soziale bzw. gesellschaftliche “Wirkung” ist und welche Abstufungen sie kennt
- Wie du direkte und indirekte Zielgruppen identifizierst
- Wie du Wirkziele formulierst
- Wie du Indikatoren bestimmst, anhand derer du herausfindest, ob und inwieweit du ein Ziel wirklich erreicht hast
- Wie du eine Wirkungslogik erstellst, also ein Modell dafür, wie deine Ziele ineinandergreifen