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Gemeinsam mehr bewirken – Darum geht’s
Lektion 6 von 11

[00:00:00.930] – Jacob Rohm PHINEO gAG

Der erste Schritt, um Gemeinsam Wirken vorzubereiten, ist es, euch einen Überblick zu verschaffen. Konkreter: ein Verständnis für die Akteure und für die Bedarfe in eurem Handlungsfeld zu gewinnen. Das geht am besten mit einer Bedarfs- und Umfeldanalyse.

[00:00:15.090] – Annalena Rehkämper, PHINEO gAG

Damit Projekte auch wirklich die gewünschte Wirkung entfalten können, müssen sie auf die konkrete Situation vor Ort und die Bedarfe der Zielgruppe zugeschnitten sein. Denn nur wenn ein konkreter Bedarf oder ein Potenzial besteht, das bislang noch nicht realisiert wurde, ist es überhaupt nötig, Maßnahmen zu ergreifen. Und das gilt nicht nur für den Beginn eines Projekts, sondern auch währenddessen. Denn Bedarfe ändern sich laufend.

[00:00:41.880] – Jacob Rohm PHINEO gAG

Besonders wenn es darum geht, die Zusammenarbeit von Akteuren zu verbessern, sollte man sich die Situation vor Ort genau anschauen. Denn Beziehungen und Netzwerke sind oft sehr komplex, und es geht darum, dass ihr die Zusammenhänge so gut versteht, dass ihr die verschiedenen Akteure darin unterstützen könnt, dass sie Hand in Hand wirkungsorientiert zusammenarbeiten.

[00:01:02.280] – Annalena Rehkämper, PHINEO gAG

Zu Beginn eines Gemeinsam-Wirken-Vorhabens hilft euch also die Bedarfs- und Umfeldanalyse dabei, einen Überblick über die Situation zu verschaffen und festzustellen, ob für euer Vorhaben überhaupt ein Bedarf besteht, und wenn ja, wie dieser genau aussieht.

[00:01:18.630] – Jacob Rohm PHINEO gAG

Es gibt vier Bereiche, in denen euch eine Bedarfs- und Umfeldanalyse weiterhelfen kann. Erstens: die Bedarfe und Potenziale eurer Zielgruppen zu verstehen. Wie nehmen sie ihre Situation wahr? Was würde ihnen weiterhelfen und was sind ihre Potenziale? Z.B. sie direkt an Entscheidungen zu beteiligen.  Zweitens: die Gemengelage der Akteure besser zu verstehen. Das ist nützlich, um potenzielle Partnerinnen und Partner zu gewinnen, die mit euch Gemeinsam Wirken wollen und um weitere Stakeholder zu identifizieren, die vielleicht nicht direkt mitwirken, aber auch von eurer Wirkung betroffen sind oder sie beeinflussen können.

[00:01:57.630] – Jacob Rohm PHINEO gAG

Wichtig dabei ist, auf die Beziehungen der Akteure untereinander zu achten. Wo bestehen Beziehungen und wo nicht? Welchen Charakter haben die Beziehungen. Also zum Beispiel, gibt es eine gute Abstimmung von Angeboten? Gibt es Konkurrenzverhältnis? Wo fließen Informationen frei und wo ist der Informationsfluss vielleicht blockiert? Drittens: die Bedarfs- und Umfeldanalyse hilft dabei, die Rahmenbedingungen besser zu verstehen, die die verschiedenen Akteure und ihr Handeln beeinflussen.

[00:02:27.020] – Annalena Rehkämper, PHINEO gAG

Rahmenbedingungen sind Regeln, Trends oder Einstellungen. Es gibt Regeln, die den rechtlichen oder auch den normativen Rahmen für das Handeln aller Akteurinnen und Akteure setzen. Das sind z.B. Gesetze, aber auch informelle Normen wie „Das haben wir immer schon so gemacht!“. Größere Trends beeinflussen und verändern unser aller Handeln langfristig. Sie eröffnen ein Zeitfenster für Veränderungen wie z.B. die Digitalisierung oder auch die Klimakrise. Dann gibt es noch Einstellungen oder Haltungen, die das Miteinander prägen und bestimmen. Sie bedingen unseren Umgang in der Gesellschaft oder einer Gemeinschaft und den Umgang der Akteurinnen und Akteure untereinander.

[00:03:11.090] – Jacob Rohm PHINEO gAG

Und schließlich, viertens, ist die Bedarfs- und Umfeldanalyse die perfekte Basis, um Fördernde zu überzeugen. Denn einen Bedarf klar darstellen zu können, überzeugt. Woher bekommt ihr nun die Informationen, die ihr für die Bedarfs- und Umfeldanalyse braucht? Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, um diese Daten zu sammeln. Einerseits könnt ihr auf bestehende Daten zurückgreifen, zum Beispiel aus dem kommunalen Bildungsbericht oder aus dem kommunalen Klima-Management oder der Verkehrsplanung. Andererseits, wenn diese Daten nicht verfügbar sind oder nicht ausreichen, müssen neue Daten erhoben werden. Die Möglichkeiten dafür sind vielfältig, z.B. Interviews mit der Zielgruppe oder Expertinnen und Experten, Fokusgruppen oder Umfragen.

[00:03:57.740] – Annalena Rehkämper, PHINEO gAG

Gerade wenn es um Akteure, ihr Zusammenspiel und die verschiedenen Einflussfaktoren geht, liegt dieses Wissen oft nicht verschriftlicht vor, sondern es findet sich in den Köpfen von erfahrenen Stakeholdern. Bindet daher diese Menschen mit einer aktiven Rolle in eure Analyse ein, z.B. indem er sie interviewt. Strategisch kann es auch schlau sein, potenzielle Partnerinnen und Partner erst einmal als Expertin oder Experten anzufragen und zu interviewen, um sie dann eventuell für die Mitarbeit in der Initiative zu gewinnen.

[00:04:27.990] – Jacob Rohm PHINEO gAG

Vor allem am Anfang und bei Weichenstellungen ist es von größter Bedeutung, dass ihr euch Zeit für die Bedarfs- und Umfeldanalyse nehmt. Wichtig ist dabei jedoch auch, dass diese Bedarfsanalyse kein einmaliges Unterfangen ist, sondern ein lebendes Dokument, so wie euer Umfeld auch. Denn die Bedarfe und das Umfeld verändern sich ja auch im Laufe der Zeit. Packt diese Bedarfsanalyse deshalb immer wieder an und passt sie auf die Veränderungen an. Vor allen Dingen, wenn wichtige strategische Weichenstellungen anstehen. Und wenn ihr eure Partnerinnen und Partner an Bord habt, solltet ihr nochmal gemeinsam mit eurer geballten Erfahrung und den verschiedenen Perspektiven, die die Akteure mitbringen, das Umfeld genau unter die Lupe nehmen.

[00:05:13.090] – Martin Herrndorf, AGORA Köln e. V., Tag des guten Lebens

Wenn wir uns einen neuen Stadtteil suchen, und das ist auch ein bisschen eine inhaltliche Neuausrichtung des Projekts, dauert das. Wir haben dann eine Prioritätentabelle, wo wir tatsächlich verschiedene Dinge an einem Gebiet bewerten und das Gebiet hoch und runter ranken. Z.B. wenn ein zentraler Platz in dem Gebiet ist und der ist vor zwei Jahren gerade frisch umgebaut worden, ist das Gebiet vielleicht weniger interessant, als wenn ich ein Gebiet habe, wo ein Platz in drei Jahren umgebaut werden soll und wo gerade eine Debatte darüber stattfindet, wie der denn jetzt in Zukunft aussehen soll.

[00:05:51.160] – Martin Herrndorf, AGORA Köln e. V., Tag des guten Lebens

Also dass man tatsächlich so eine Zukunftsfrage aufgreift und etwas, das gerade die Gesellschaft umtreibt. Wir schauen uns auch schon das Stakeholder-Netzwerk an. Haben wir schon eine Verankerung in den Stadtteil, haben wir Kontakte? Das sind Kriterien, die wir uns jeweils anschauen, und wir kommen dann meistens zu einem, zwei Kandidatenvierteln, wo wir sagen, okay, das können wir uns vorstellen. Und dann haben wir einen Gesprächsauftrag, den wir uns selbst erteilen.

[00:06:21.690] – Martin Herrndorf, AGORA Köln e. V., Tag des guten Lebens

Wir treffen meistens nicht die Entscheidungen, sondern wir gehen ins Gespräch mit dem Stadtteil und sagen, wir suchen einen neuen Stadtteil und wir haben uns verschiedene Stadtteile angeguckt und wir könnten uns gut vorstellen, dass es euer Stadtteil wird. Das können wir aber nicht wirklich entscheiden, ohne euch da mit einzubeziehen. Deshalb würden wir jetzt zu dieser Phase gerne wissen, was haltet ihr davon? Würde dir gerne mitarbeiten? Gibt es Aspekte, auf die wir besonders achten sollen? Und im Endeffekt wird die Entscheidung dann auch erst gemeinsam mit den Organisationen vor Ort getroffen.

Wann solltest du dich mit der Analyse der Bedarfe und des Umfeldes auseinandersetzen?

  • Gerade am Anfang oder an Weichenstellungen eines Gemeinsam Wirken Vorhabens ist es von großer Bedeutung, dass ihr euch Zeit für eine Bedarfs- und Umfeldanalyse nehmt.
  • Wichtig dabei: Eine Bedarfsanalyse ist kein einmaliges Unterfangen, sondern wird in regelmäßigen Abständen wiederholt. Zum Beispiel, wenn sich äußere Rahmenbedingungen, oder die Angebotslandschaft und die Akteure ändern oder strategische Richtungsentscheidungen anstehen.
  • Auch wenn ihr eure Gemeinsam Wirken Partner an Bord habt, solltet ihr euch nochmal gemeinsam die Zeit nehmen, mit eurer geballten Erfahrung und den verschiedenen Perspektiven, die die Akteure mitbringen, die Bedarfe und Rahmenbedingungen unter die Lupe zu nehmen.
  • Die Ergebnisse – und auch Zwischenergebnisse der Bedarfs- und Umfeldanalyse solltet ihr auch unbedingt mit anderen reflektieren und euch Feedback geben lassen.
  • Vergesst auch nicht, die Ergebnisse euer Bedarfs- und Umfeldanalyse festzuhalten. Denn ihr werdet im Laufe eures Gemeinsamen Wirkens immer wieder darauf zurückgreifen.Die Vorlagen und Übungen aus diesem Kurs bieten dir eine gute Grundlage dafür.

Mit der folgenden Checkliste geben wir dir ein nützliches Werkzeug an die Hand, um in der Phase der Bedarfs- und Umfeldanalyse einen Überblick zu behalten, ob ihr alle zentralen Fragen beantwortet habt und mit welchen Fragestellungen ihr euch noch ausführlicher befassen solltet.

In den folgenden Lektionen wirst du dich mit verschiedenen Fragestellungen der Bedarfs- und Umfeldanalyse auseinandersetzen. Insbesondere der Akteur*innen-Analyse widmen wir uns zu einem späteren Zeitpunkt intensiver. Zunächst geht es darum, sich einen Überblick über die Bedarfe der Zielgruppe zu verschaffen und gesellschaftliche Herausforderungen in ihrer Komplexität zu begreifen um daraus eine tragfähige Vision für Veränderung entwickeln zu können.


Ursachen und Auswirkungen des Problems verstehen

In den meisten Fällen sind gesellschaftliche Probleme so komplex und vielschichtig, dass sich ein Projekt nur mit der Lösung eines einzelnen oder weniger Teilaspekte beschäftigen kann. Im Zuge von Gemeinsam Wirken ist es jedoch wichtig verstärkt den Gesamtkontext in das Blickfeld zu nehmen, damit sich unterschiedliche Projektansätze, Angebote und die Akteur*innen im Handlungsfeld ergänzen und wirkungsorientiert ineinandergreifen. Dafür ist es wichtig, das Problem in seiner Komplexität zu erfassen und sich darüber im Klaren zu sein, welchen Einfluss die einzelnen Faktoren eines Problems aufeinander haben. 
Ein nützliches Werkzeug zur Analyse von komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen mit seinen Ursachen und Auswirkungen ist der sogenannte Problembaum.

Hier siehst du ein Bespiel für einen solchen Problembaum. Klicke auf die “!”-Zeichen im Bild um mehr über die einzelnen Schritte zu erfahren. Für eine bessere Lesbarkeit klicke einfach auf das Vollbild-Symbol oben rechts im Bild.

Die Erstellung eines solchen Problembaums haben wir für dich und dein Team in der folgenden Übung noch einmal zusammengefasst. Bei der Erarbeitung des Problembaums sollten die relevanten Stakeholder einbezogen werden. Ihr könnt aber auch als ersten Schritt den Problembaum für euch skizzieren und dann schrittweise durch den Austausch und Diskussionen mit späteren Partnern und Stakeholdern erweitern und anpassen. Nehmt euch in jedem Fall viel Zeit für diesen wichtigen Schritt, denn abhängig vom Themenfeld und eurer Vorarbeit kann die Analyse für den Problembaum einen bis mehrere Tage in Anspruch nehmen.

Du hast dir einen Überblick über die Ursachen und Auswirkungen der gesellschaftlichen Herausforderung verschafft.

In der nächsten Lektion geht es darum, aus den identifizierten Bedarfen eine konkrete Vision für euer Vorhaben zu formulieren.