Wie schafft es Fridays for Future, so viele Engagierte zu motivieren und zusammen zu halten? Was tun sie, um von Entscheidungsträger*innen gehört zu werden? In unserer Virtuellen Kaffeepause im Mai 2021 sprachen wir darüber mit Annika Kruse, Sprecherin von Fridays for Future Deutschland.
Fridays for Future ist in Deutschland kein Verein und auch keine Stiftung. Genau genommen ist es gar nichts, jeder und jede kann sich als Teil der Bewegung sehen und sagen: „Ich gehöre zu Fridays for Future“. Eine Bewegung mit losen Strukturen und einer gemeinsamen Vision, die nirgendwo wirklich aufgeschrieben wurde. Und trotzdem – oder gerade deshalb – ist sie wohl eine der erfolgreichsten Bewegungen der letzten Jahre.
Die internen Strukturen von Fridays for Future
Auf
der Website von Fridays for Future gibt es die Möglichkeit, sich als neue Ortsgruppe
zu registrieren. Dann bekommt man auch direkt einen Buddy zur Seite gestellt,
der*die einen an die Hand nimmt und Tipps gibt: etwa zur internen und externen
Kommunikation, zur Mobilisierung von Engagierten oder zur perfekten Teamgröße.
Wer als Ortsgruppe registriert ist, bekommt darüber hinaus Zugriff auf eine
gemeinsam genutzte Cloud und verschiedene Programme und Portale sowie
regelmäßig stattfindende Videokonferenzen.
Fridays
for Future Deutschland ist basisdemokratisch organisiert. Einmal die Woche gibt
es eine bundesweite Telefonkonferenz über ZOOM. Intern wird aber noch eine
Vielzahl an weiteren Tools genutzt. Zum
Beispiel:
- WhatsApp und Telegram als Messenger für die schnelle Kommunikation
- Slack, Discord und WeChange als Foren
- ZOOM und Big Blue Button für Videokonferenzen
- und Nextcloud, über welches die Bewegung eine Cloud auf eigenem Server nutzt.
Agilität bringt auch Herausforderungen mit sich
Spenden
können nur über einen Umweg angenommen werden. Eine befreundete NGO, die als
Verein eingetragen ist, hat der Bewegung ein Unterkonto angelegt. Vertraglich
ist festgelegt, dass die auf dieses Unterkonto gespendeten Gelder nur an
Fridays for Future gehen. Dafür gibt es extra eine bundesweite
Finanz-Arbeitsgemeinschaft.
Doch
die fehlende, ausformulierte Mission (und Vision) der Bewegung kann durchaus
auch eine Herausforderung sein. Annika Kruse erzählt, dass grundsätzlich gilt:
Fridays for Future steht hinter der Wissenschaft. Da es aber keine Prüfung und
Mitgliedschaft gibt, kommt es immer mal wieder vor, dass Menschen versuchen,
Fridays for Future einzunehmen und den Namen anderweitig zu nutzen. Regelmäßige
interne Kommunikation und öffentlichkeitswirksame Aktionen sollen dies
bestmöglich verhindern.
In
den Ortsgruppen gibt es dafür wöchentliche Plenums-Veranstaltungen. Jede
Ortsgruppe bekommt eine Stimme auf Bundesebene, die bei Abstimmungen zählt –
ganz unabhängig von der Größe der Ortsgruppe. International gibt es bisher
keine zufriedenstellende, demokratische Entscheidungsfähigkeit.
Hierarchiefrei – geht das?
Doch wie kann es sein, dass in einer basisdemokratischen, hierarchiefreien Bewegung bestimme Gesichter zu Ruhm kommen, während die aktive Masse als Individuen nicht sichtbar werden? Annika Kruse sagt, es ist völlig normal, dass Medien sich einzelne Personen raussuchen, die sie gerne öfter zeigen. Prinzipiell hat sie den Eindruck, dass die Menschen, die für die Bewegung besonders viel leisten, auch die sichtbarsten sind. Das Team der Öffentlichkeitsarbeit versucht zudem, den Medien stets eine Mischung aus bekannten und noch unbekannten Sprecher*innen vorzustellen. Und wenn es intern doch mal Frust gibt, weil in den Talk Shows immer wieder die gleichen Namen aufgerufen werden, dann erinnert sich das Team an das gemeinsame, große Ziel.
Wertschätzung und das große Ziel als Motivation
Das
große Ziel ist es auch, dass so viele Schüler*innen und Studierende immer
wieder dazu antreibt, viele Stunden der eigenen Freizeit in die Arbeit für
Fridays for Future zu stecken. Darüber hinaus wird intern großen Wert auf eine
gegenseitige, wertschätzende Motivation gelegt. Jede*r kann sich so
einbringen, wie es zeitlich und persönlich möglich ist. Für alle Bedarfe gibt
es auch Aufgaben.
Für
ältere Menschen ist im Kern jedoch kein Platz. Denn Fridays for Future hat sich
das Thema Generationengerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben. Sie sprechen
für die Generation, die zum jetzigen Zeitpunkt am meisten von der Klimakrise
betroffen sein wird. Und gleichzeitig ist das auch die Generation, die im
Parlament nicht repräsentiert wird, die nicht wählen darf und sich nicht
aufstellen lassen kann. Deshalb wird der Protest auf die Straße gebracht. Ziel
ist dabei ganz klar, Entscheidungsträger*innen zu beeinflussen. Deshalb finden
auch regelmäßig Gespräche mit Politiker*innen statt.
Für
Erwachsende gibt es deshalb das For-Future-Bündnis. Bei Parents
for Future, Farmers
for Future, Teachers for
Future oder Scientists
for Future (und viele andere),
können alle Teile der Bevölkerung niedrigschwellig dabei sein – und bei den
Demos treffen sich dann alle.
Die Corona-Pandemie als Bremse
Nachdem 2019 noch hunderttausende junge Menschen auf die Straße gingen und eng an eng ohne Masken ihre Forderungen in die Luft schrien, war das 2020 plötzlich nicht mehr möglich. Die Basis von Fridays for Future, die Begegnung, brach weg und damit auch ein großer Teil ihrer Legitimierung.
Das Team wich auf Webinare aus und machte öffentlichkeitswirksame Aktionen. So wurden im April 2020 tausende Plakate vor dem Bundestag ausgelegt und sogar die tagesschau berichtete darüber. 2021 wurde die Mönckebergstraße in Hamburg mit einem riesigen Schriftzug verziert. Doch keine dieser Aktionen ermöglichte Partizipationsmöglichkeiten wie die Demos. Annika Kruse macht es deutlich: Digitale Alternativen haben für Fridays for Future nicht den gleichen Wert wie die Begegnung in Präsenz. Die Engagierten warten ungeduldig auf eine Zeit Post-Corona, wenn Menschen wieder niedrigschwellig dazu kommen und einfach was für das Klima tun können.
Autorin: Merle Becker