Wenn Unternehmen sich politisch engagieren, wird dies oft kritisch betrachtet. Denn nicht selten fallen dadurch gesetzliche Einschränkungen schwächer aus, Menschenrechte und Umweltschutz leiden darunter. Doch nicht alle Unternehmen haben nur das eigene wirtschaftliche Wachstum im Fokus. Einige Unternehmen übernehmen im Kern gesellschaftliche Verantwortung und fordern strengere Regeln – für sich und die Konkurrenz.
Hess-Natur zählt zu den Mittelständlern, die sich die nachhaltige Entwicklung seit vielen Jahren auf die Fahne geschrieben haben. Anstoß zur Gründung im Jahr 1976 war der Wunsch nach Nachhaltigkeit in Textilien.
Kristin Heckmann ist Leiterin des Corporate Responsibility Abteilung des nachhaltigen Modeunternehmens. In unserer virtuellen Kaffeepause hat sie sich mit uns dazu unterhalten, inwiefern Unternehmen mehr Nachhaltigkeit vorantreiben können und was das mit Wirkung zu tun hat.
Nachhaltigkeit als Grundlage aller Entscheidungen
Hess-Natur setzt sich für das Lieferkettengesetz und strengere Reglungen in der Textilproduktion ein. Nachhaltigkeit dient dem Unternehmen als Grundverständnis und nicht nur als Zusatz. Im Gespräch stellt Kristin den Prozess-Charakter heraus, den das Streben nach Nachhaltigkeit mit sich bringt. Es sei immer ein Antreiber von Innovation und Weiterentwicklung und niemals vollständig erreicht. Hess-Natur arbeitet mit Plant for the Planet zusammen und ist seit einiger Zeit CO2-Neutral. Außerdem wird stets mit dem Ausschlussprinzip gearbeitet: Wenn etwa schädliche Chemikalien von vornherein ausgeschlossen werden, müssen sie im Nachhinein nicht mit komplexen Nachhaltigkeitsprozessen wieder entfernt werden. Dieses Vorgehen erleichtert auch die Wirkungsmessung.
Gemeinsam wirken durch geteiltes Wissen
Kristin Heckmann freut sich, dass branchenübergreifend gesellschaftliche Verantwortung an Bedeutung gewinnt. Hess-Natur teil gerne die langjährigen Erfahrungen aus dem Bereich Nachhaltigkeit und tauscht sich dazu viel mit anderen Unternehmen aus. Dies trifft nicht immer auf Verständnis. Fragen wie: „Wieso habt ihr es nötig, euer Wissen zu teilen und mit Unternehmen zu arbeiten, die nun auf den Nachhaltigkeitszug aufspringen wollen?“ werden gerne gestellt. Doch Hess-Natur liegt die Sache am Herzen. Kristin Heckmann machte deutlich, dass der Antrieb des Modeunternehmens stets ist, die entstehenden Kosten unseres heutigen Wirtschaftens auf unser aller Zukunft zu verringern. Und das geht am besten gemeinsam. Zum Glück bekommen sie dafür auch viel Zuspruch und Unterstützung.
Für sie wäre es der größte Gewinn, wenn noch viel mehr Unternehmen nachhaltig agierten und im Einklang mit Mensch und Natur arbeiteten. Denn dann gewinnen alles.
Nachhaltigkeit transparent darlegen
Trotzdem merkt auch Hess-Natur, dass Nachhaltigkeit keine Nische mehr ist. Was zunächst nach einer Herausforderung klingt, wird aber als Chance wahrgenommen. Herausfordernder ist vielmehr der steigende Wunsch nach Transparenz. Vielen Menschen reichen Zertifizierungen von gängigen Organisationen nicht mehr aus. Hess-Natur ist vom der Global Organic Textile Standard, dem Grünen Knopf und der Fair Wear Foundation lizenziert. Doch trotzdem wird immer öfter gefordert, Unternehmensdaten in aller Breite auf der eigenen Website zu veröffentlichen. Dies sei in Hinblick auf den Datenfluss jedoch nicht immer einfach. Hier bemüht sich Hess-Natur um gute Lösungen.
Politik gestalten – aber unpolitisch
Das Modeunternehmen macht sich für das Lieferkettengesetz stark. Mit dem aktuellen Entwurf ist Kristin Heckmann jedoch nur bedingt zufrieden. Die Kopplung der Regelungen an Unternehmensgrößen sorgt dafür, dass viele deutsche Textilunternehmen von dem Gesetz nicht betroffen sind. „Es geht hier um Menschenrechte und Umweltschutz. Ausbeutung muss verhindert werden. Es geht um fundamentale Standards und um unsere Zukunft. Wir finden, dass so etwas nicht an Unternehmensgrößen gebunden werden sollte!“, forderte Kristin in der Kaffeepause. Und obwohl sich das Unternehmen engagiert, sieht Hess-Natur sich selbst als unpolitisch an. „Wir machen keine Parteipolitik. Uns geht uns um die Sache und um unser aller Zukunft“, so Kristin Heckmann.
Die CSR-Beauftragte von Hess-Natur wünscht sich für die Zukunft, dass jedes Unternehmen auf die eigene Wirkung in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Gesellschaft achtet. Dazu braucht es nicht zwangsläufig eine Nachhaltigkeits-Abteilung, sagte sie. Vielmehr sollte sich jede*r Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in im Privaten sowie im Beruflichen überlegen, wie wir unsere Wirkung positiv beeinflussen können – egal in welcher Position wir uns befinden.
Autorin: Merle Becker
Mit der virtuellen Kaffeepause für Unternehmen starten wir ein Format, das den Beitrag der Privatwirtschaft an der nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft beleuchtet. Gemeinsam mit Vertreter*innen aus größeren und kleineren Firmen diskutieren wir Maßnahmen unternehmerischer Verantwortung.