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10 Charakteristika des EU-Fördermittelsystems, einfach erklärt von der Fördermittel-Expertin Heike Kraack-Tichy

Ein bewilligter EU-Förderantrag, am besten mit einer Fördersumme im fünf- bis siebenstelligen Bereich, ist ein schönes – und auch realistisches – Ziel für viele gemeinnützige Organisationen. Bevor ihr euch mit einer konkreten Ausschreibung beschäftigt und mit aller Energie in ein Antragsprojekt stürzt, solltet ihr aber innehalten. Denn wenn ihr euch erst einmal mit wichtigen Grundlagen des EU-Fördermittelsystems beschäftigt, werdet ihr bei der Antragstellung weniger Fehler machen und erhöht gleichzeitig eure Chancen, schon mit dem ersten Antrag erfolgreich zu sein.

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Heike Kraack-Tichy ist seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführerin bei emcra – Co-shaping Europe in Berlin, einem Weiterbildungs- und Beratungsanbieter, der unter anderem bereits seit 2005 eine zertifizierte Weiterbildung zur EU-Fundraiser*in anbietet. Heike hat bereits viele erfolgreiche EU-Antrage geschrieben, sowohl für emcra als auch für andere Organisationen. Bei emcra ist sie für die erfolgreiche Umsetzung der eigenen EU-Förderprojekte zuständig. In den vergangenen Jahren hat emcra immerhin mehr als zwei Millionen Euro Förderung von der EU erhalten – das meiste für Projekte aus dem Bereich Bildung.

Heike kennt aber auch die andere Seite. In verschiedenen EU-Programmen hat sie im Auftrag der EU bei der Auswahl von förderfähigen Anträgen mitgewirkt. Wir konnten ihr umfangreiches Praxiswissen anzapfen und haben sie gebeten, wichtige Charakteristika des EU-Fördersystems für euch zusammenzufassen.

Eines der erfolgreichen EU-Projekte, die Heike beantragt und umgesetzt hat, ist upgrade2europe. Mit dem digitalen Lerntool können sich gemeinnützige Organisationen fit für Europa machen –kostenfrei und 24/7 online. Das Thema EU-Fördermittel ist dabei nur einer von vielen Aspekten. Das hat einen guten Grund:

Wenn man Heike fragt, was im Hinblick auf die erfolgreiche Beantragung und Umsetzung von EU-Geldern besonders wichtig ist, dann sagt sie nicht als erstes, dass ihr wissen solltet, wie ein EU-Antrag gut und richtig geschrieben wird. Noch wichtiger ist, dass eure Organisation strukturell gut auf den Umgang mit EU-Förderung vorbereitet ist. Darum thematisiert Heike in den folgenden Tipps zehn aus ihrer Erfahrung wichtige Aspekte des EU-Fördersystems.

1. Ohne professionelles Antragsprojektmanagement geht es nicht

Ihr solltet euch folgendes bewusst machen: Die Entwicklung und das Schreiben eines umfangreichen EU-Förderprojektantrages sind selbst ein Projekt. Kenntnisse einer professionellen Projektmanagementmethode wie zum Beispiel P3.express, PM2 oder PRINCE2 können sehr nützlich sein, wenn ihr euren Antragsprozess sorgfältig planen und umsetzen möchtet.

Genauso wichtig ist es, eine bewährte Projektentwicklungsmethode zu nutzen. Die Standardmethode im Bereich EU-Fördermittel ist der sogenannte Logical Framework-Ansatz (LogFrame). Die Zeit, die ihr in die Einarbeitung in den LogFrame-Ansatz investiert, holt ihr in der Regel beim Verfassen eures Antrags spielend wieder rein. Das liegt daran, dass die EU-Antragsformulare den LogFrame-Ansatz spiegeln. Wenn ihr diese Herangehensweise nutzt, dann könnt ihr sicher sein, dass ihr an alle wesentlichen Aspekte gedacht habt, wenn es darum geht, aus eurer Idee einen erfolgversprechenden EU-Antrag zu machen.

2. Sucht eure Projektpartner*innen sehr sorgfältig aus

Insbesondere wenn ihr als sogenannte Konsortialführer*innen bzw. Lead-Partner die wirtschaftliche Verantwortung für die gesamte Projektumsetzung eines EU-Förderprojektes übernehmen möchtet, solltet ihr bei der Auswahl eurer Projektpartner*innen sehr gewissenhaft zu Werke gehen. Bei den meisten EU-Ausschreibungen wird von euch nämlich gefordert, dass ihr euer Projekt in Kooperation mit einem oder mehreren weiteren Organisationen in einem europäischen Projektkonsortium umsetzt.

Warum sind gute Partnerorganisationen so wichtig? Wenn euer Antrag erfolgreich ist, dann müsst ihr ggf. über mehrere Jahre zusammen mit euren Projektpartner*innen eine meist sechs- bis siebenstellige Fördersumme korrekt ausgeben. Das wird nur gut gelingen, wenn ihr Partner*innen einbindet, die über die entsprechenden fachlichen sowie administrativen Kompetenzen verfügen und wenn auch die „Chemie“ stimmt.

Für kleine oder noch junge gemeinnützige Organisationen bietet das EU-Konsortialsystem einen Vorteil, den ihr nutzen solltet, insbesondere wenn ihr noch über gar keine oder wenige Erfahrungen auf dem EU-Fördermittelparket verfügt: Ihr solltet euch darum bemühen, zuerst „nur“ als Projektpartner*innen mitzumachen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Eine andere – am besten erfahrenere – Organisation trägt die Verantwortung und das größere Risiko für das Projekt, und ihr könnt trotzdem von EU-Förderung profitieren.

3. Die Ziele der EU sind genauso wichtig wie eure Ziele

Wenn euch die EU Fördermittel bewilligt, dann stellt dies de facto eine Investition der Europäischen Union in eure Organisation dar. Ihr helft der EU damit jedoch auch, ihre politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Ziele zu erreichen. Als Fördermittelempfänger*innen erhaltet ihr diese Mittel insbesondere, um einen Beitrag zur Erreichung dieser EU-Ziele zu leisten.

Parallel kommt es darauf an, dass ihr bei der Beantragung von Fördermitteln nicht eure organisationsinternen Ziele aus dem Blick verliert. Nur wenn ihr darauf achtet, dass eure Ziele und die Ziele, die in der EU-Fördermittelausschreibung genannt werden, eine möglichst große Schnittmenge bzw. Übereinstimmung aufweisen, sollten ihr eine Antragstellung ins Auge fassen.

4. Vorsicht bei mehrstufigen Antragsprozessen

Insbesondere Förderprojekte mit einem höheren Fördervolumen werden nicht selten mithilfe von mehrstufigen Antragsverfahren ausgeschrieben. In der Regel startet das Verfahren dann mit einer ersten Einreichfrist, bis zu der ihr eine sogenannte Interessensbekundung, eine Concept Note oder ähnliches einreichen müsst. Zur Abgabe eines Vollantrags werdet ihr nur aufgefordert, wenn eurer eingereichtes Projektkonzept überzeugen konnte. Förderanträge, die diese erste Hürde genommen haben, haben meist gute Chancen, später einen positiven Förderbescheid zu erhalten.

Unerfahrene Antragsteller*innen machen leider häufig den Fehler, der ersten Phase in einem mehrstufigen Antragsprozess nicht die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken. De facto haben regelmäßig nur solche Anträge eine Chance zur Einreichung eines Vollantrags, die bereits alle notwendigen Hausaufgaben vor der Einreichung der Interessensbekundung gemacht haben, also zum Beispiel eine systematische Projektentwicklung mit dem oben erwähnten LogFrame-Ansatz.

Mein Rat: Agiert im Hinblick auf die erste Antragsfrist am besten so, als wenn es in eurem Förderprogramm nur eine Antragsdeadline gäbe. Dann seid ihr auf der sicheren Seite.

5. Achtet auf die Antragsdeadline und plant ausreichend Zeit für die Antragsphase ein

Bei den meisten EU-Förderanträgen werdet ihr eine feste Einreichungsfrist beachten müssen. Plant daher unbedingt einen angemessenen Zeitpuffer und reicht euren Antrag, wenn möglich, nicht erst am letzten Tag ein. Es kommt zum Beispiel bei Online-Einreichungen immer wieder zu Serverausfällen kurz vor der Deadline, sodass ihr nicht sicher sein könnt, euren Antrag fristgerecht einreichen zu können. Dieses Risiko solltet ihr vermeiden.

Es gibt bei diversen Förderprogrammen übrigens die Möglichkeit, bereits online hochgeladene Antragsversionen durch weiter überarbeitete neuere Fassungen zu ersetzen. Diese Option solltet ihr immer dann nutzen, wenn ihr noch bis kurz vor der der Deadline an eurem Antrag arbeitet.

Damit es am Ende nicht eng wird, solltet ihr für euer Antragsprojekt möglichst ausreichend Zeit planen. Drei bis sechs Monate sind für ein umfangreiches EU-Projekt eine in den meisten Fällen angemessene Zeitperiode.

6. Wirkung ist auch der EU wichtig

Solltet ihr erst kurz vor der Antragsdeadline von einer spannenden EU-Ausschreibung erfahren haben, dann müsst ihr sorgsam abwägen, ob ihr einen erfolgsversprechenden Antrag in der verbleibenden Zeit entwickeln könnt. Ein schneller Erfolg ist in der Regel nur möglich, wenn in eurer Organisation erfahrene Antragsspezialist*innen arbeiten, die genau wissen, was zu tun ist.

Diese Fördermittel-Profis würden euch dann – wie ich auch – allerdings nicht selten raten, auf die nächste Antragsdeadline zu warten und bis dahin ganz in Ruhe einen ausgereiften Förderantrag zu konzipieren. Bei einer Vielzahl der EU- Förderprogramme gibt es nämlich regelmäßig wiederkehrende Antragsfristen, sodass Aktionismus häufig gar nicht nötig ist.

EU-Förderung ist fast immer daran gebunden, dass ihr mit eurem Förderprojekt eine quantitativ und qualitativ messbare Wirkung erzielt. Euer Fördervorhaben muss über diese beabsichtigte Wirkung im Detail Auskunft geben. Diesem Aspekt der Antragstellung wird jedoch häufig zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl insbesondere für eine realistische und möglichst mit Zahlen unterlegte Wirkungsanalyse bzw. -prognose bei der Bewertung ihres Antrages viele Punkte zu ergattern sind. Wer sich also im Hinblick auf die Darstellung der potenziellen Wirkung eines EU-Projektes Mühe gibt, erhöht die Wahrscheinlichkeit, einen positiven Förderbescheid zu bekommen.

Auch im Hinblick auf die Identifizierung der richtigen Indikatoren und für den Nachweis der Wirkung eures Projektes ist der bereits erwähnte LogFrame-Ansatz zu empfehlen. Auf das Thema Wirkung geht der LogFrame explizit ein.

7. Förder- bzw. Evaluationsbedingungen kennen

Die EU-Förderprogramme weisen in der Regel eine hohe Transparenz bezüglich der bei der Projektauswahl angelegten Auswahlkriterien auf. Informiert euch am besten vor Beginn der Entwicklung eures Antrages im Detail über alle formalen und inhaltlichen Vergabekriterien. Für gemeinnützige Organisation ist es beispielsweise wichtig, zuerst zu klären, ob ihr in dem spezifischen Programm, das ihr im Auge habt, förderberechtigt seid oder nicht.

Behaltet dann am besten die Förder- bzw. Evaluationskriterien bei der Formulierung eures Antrages weiter ständig im Auge und überprüft vor der abschließenden Einreichung im Detail, ob ihr allen Kriterien gerecht werdet. Ihr vermeidet so, aus formalen Gründen abgelehnt zu werden oder wichtige Bewertungspunkte zu verschenken, weil ihr den inhaltlichen Anforderungen nicht ganz gerecht werdet oder wichtige Bewertungsaspekte übersehen habt.

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8. Holt euch die nötige Unterstützung

In vielen Fällen werden parallel zu den Fördermittelausschreibungen spezifische kostenfreie Beratungsangebote zur Verfügung gestellt. Diese Angebote solltet ihr unbedingt nutzen, insbesondere wenn ihr bisher wenig Erfahrung mit der erfolgreichen Beantragung von EU-Fördermitteln und der Struktur des EU- Fördermittelsystems habt. Aktuelle Informationen zu den jeweiligen Unterstützungsangeboten findet ihr am schnellsten auf den jeweiligen Programmwebseiten.

Die wichtigsten EU-Förderprogramme für gemeinnützige Organisationen sind meiner Erfahrung nach Erasmus+ und CERV. Die meisten – auch kleineren – gemeinnützigen Organisationen stellen ihren ersten Antrag in einem der vielen Unterprogramme von Erasmus+ oder CERV. Wenn ihr euch für die vielen weiteren EU-Förderprogramme interessiert, dann schaut am besten ins EU Funding & Tenders Portal.

Sollte es in eurer Organisation noch kein umfangreiches Know-how zum Thema EU-Förderung geben, dann könnt ihr – zumindest punktuell – auch über die Zusammenarbeit mit erfahrenen EU-Fördermittelberater*innen nachdenken.

Als Faustregel gilt: In den EU-Förderbereichen bzw. -programmen, in denen ihr regelmäßig aktiv seid oder aktiv werden möchtet, solltet ihr mit fest angestelltem, ausgebildetem Fachpersonal arbeiten. Bei EU-Ausschreibungen, die einen sehr hohen Spezialisierungsgrad erfordern (zum Beispiel, wenn es um innovative Pilotprojekte geht), ist es in der Regel ratsam, mit spezifischen Fachberater*innen oder einem externen Berater-Netzwerk zusammenzuarbeiten.

Eine Warnung: Zahlt bitte niemals vorab höhere pauschale Honorarsummen an eure externen Fördermittel-Dienstleister*innen – zum Beispiel nur auf der Basis mündlicher Versprechungen. Meidet zudem Berater*innen, die allein auf der Basis von Erfolgshonoraren arbeiten. In der Regel zahlt ihr bei einer Erfolgspauschale ein viel zu hohes Honorar.

Eine fundierte und professionelle EU-Fördermittelberatung ist eine komplexe Dienstleistung, und niemand käme auf den Gedanken, zum Beispiel eine*n Steuerberater*in nur zu beauftragen, wenn es eine Steuerrückzahlung gibt. Seriöse Fördermittelexpert*innen lehnen eine ausschließlich auf Erfolgsbasis beruhende Vergütung u. a. in Orientierung an den Ethikregeln des Deutschen Fundraising Verbandes darum auch ab.

9. Nutzt Pauschalen!

Die Bedeutung von Förderpauschalen hat in den vergangenen Jahren insbesondere im Bereich der EU-Förderung deutlich zugenommen. Das bedeutet, dass die Budgetkalkulation und das Finanzmanagement von Förderprojekten tendenziell einfacher werden, da nicht mehr jeder Ausgabenbeleg minutiös erfasst werden muss.

Diese Entwicklung in Richtung Förderpauschalen solltet ihr so weit wie möglich nutzen. Insbesondere bei der EU-Förderung aus Brüssel – zum Beispiel bei den Programmen Erasmus+ und CERV – hat das dazu geführt, dass die bürokratischen Herausforderungen bei der Umsetzung von Förderprojekten zurückgegangen sind. Die finanzielle Abwicklung von Projekten bei Erasmus+ ist aktuell zum Beispiel auch deutlich weniger aufwendig als das Finanzmanagement beim Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+).

10. Euer maximales Projektbudget ist begrenzt. Grund genug, jeden Euro bewusst einzusetzen.

Eine Ausweitung eures bewilligten Förderbetrages ist grundsätzlich ausgeschlossen. Ihr werdet also nie mehr Geld bekommen, als in euren Bewilligungsbescheid maximal für euer Projekt zugesagt wurde. Solltet ihr weniger Mittel benötigen, kann sich die Fördersumme reduzieren.

Wichtig ist, dass ihr fast immer über einen gewissen Spielraum bei der Verwendung der zugesagten Mittel verfügt – begrenzte Umwidmungen von einer Budgetkategorie in eine andere sind meist möglich. Wer also sein Projektbudget im Projektverlauf permanent im Blick behält und bei Bedarf gerechtfertigte Umwidmungen vornimmt, kann davon ausgehen, den bewilligten Förderbetrag (fast) vollständig zu erhalten.

Jede Umwidmung sollte aber generell gut begründet werden. Wenn ihr über die im Fördervertrag zugestandenen Budgetverschiebungen hinausgehen möchtet, dann müsst ihr diese Änderungen von der jeweils zuständigen Stelle bewilligen lassen. Nicht selten ist dazu eine Änderung eures Fördervertrages nötig.

Wichtig: Verwendet bitte niemals die euch zur Verfügung gestellten Fördermittel leichtfertig für Aktivitäten, die nicht eindeutig durch die Ausführungen in eurem Projektantrag und den Fördervertrag mit der EU gerechtfertigt sind. Sonst besteht die Gefahr, dass ihr diese Mittel zurückzahlen müsst.

Bei nicht-vertragsgemäßer Umsetzung eines Förderprojektes ist es immer möglich, dass ihr den erhalten Förderbetrag – zumindest anteilig – zurückerstatten müsst. Aber solche negativen Überraschungen könnt ihr leicht vermeiden.

Berücksichtigt am besten einfach, dass euer EU-Projektantrag ein Teil eures Fördervertrages mit der EU wird. Mit der Formulierung eures Projektes schreibt ihr den wichtigsten Vertragsbestandteil selbst. Achtet darauf, dass ihr keine Leistungen oder Ergebnisse zusagt, die ihr nicht einhalten bzw. erreichen könnt.

Wenn es bei der Umsetzung eures Projektes trotz aller Bemühungen zu größeren Herausforderungen kommt, dann nehmt zeitnah Kontakt zu der Verwaltung auf, die für euer Projekt zuständig ist. Solange ihr eure Herausforderungen offen kommuniziert, findet ihr in der Regel einvernehmliche Lösungen, die spätere Rückforderungen zu vermeiden helfen.