Direkt zum Inhalt wechseln

Ein zuverlässiger Kreis von Unterstützer*innen ist gerade jetzt für Non-Profit-Organisationen entscheidend, sagt Fundraising-Profi Matthias Daberstiel. Denn so sind sie besser gewappnet gegen gestrichene Fördermittel und Kürzungen in Zeiten von Inflation und Rechtsruck. Die folgenden Profitipps helfen dabei, das Thema wirksam anzugehen.

Stand: September 2024

Herr Daberstiel, Inflation und geplante Haushaltskürzungen sorgen bei Non-Profits für finanzielle Engpässe. Hinzu kommt der Rechtsruck, der vor allem Demokratie-Initiativen Fördermittel kosten könnte. Spüren Sie davon bereits was?
„Ja, Tendenzen gibt es bereits seit einigen Jahren. Wir haben beispielsweise erlebt, dass AfD-dominierte Kommunalparlamente Demokratie-Initiativen nicht weiter fördern wollten. Die mussten dann sehr dafür kämpfen, trotzdem Gelder zu erhalten. Wir werden also Kompromisse finden müssen, und das wird Auswirkungen auf Non-Profit-Organisationen haben – im Bereich Demokratie-Initiativen, aber beispielsweise auch im Kulturbereich.“

Was können Non-Profits jetzt tun, um mit der schwierigen Lage besser umzugehen?
„Unsere Demokratie gehört immer noch zu den wehrhaftesten weltweit. Ich sehe es als sportliche Herausforderung: Non-Profits müssen jetzt Veränderungen angehen, die schon länger fällig waren. Sie müssen sich eine breite Basis von Unterstützer*innen schaffen, die voll hinter ihnen stehen. Ich glaube, viele Vereine und Initiativen haben in den letzten Jahrzehnten übersehen, dass den meisten Menschen die Zeit fehlt, sich ehrenamtlich zu betätigen. Und dass deshalb die Spende die einfachste Form der Beteiligung ist.“

 
Viele Organisationen haben vergessen, dass man bitten muss. Es reicht leider nicht, die gute Arbeit, die man macht, für sich sprechen zu lassen.

Spendenkreis aufbauen: 10 Tipps von Matthias Daberstiel

1. Stufe um Stufe: Engagement ist eine Leiter


Fundraising lässt sich gut mit einer Leiter vergleichen, die eine Non-Profit-Organisation zusammen mit ihren Unterstützenden erklimmt. Am Anfang heißt es Aufmerksamkeit wecken, damit sich Interessierte finden. Diese unterstützen dann vielleicht ehrenamtlich oder mit einer ersten kleinen Spende, teilen das Projekt auf den sozialen Netzwerken oder werden sogar Mitglied.

Anschließend geht es um regelmäßige Spenden, dann vielleicht sogar um Mitarbeit oder Vorstandsarbeit. Mit jeder Stufe wird die Beziehung enger. Manchmal werden Stufen übersprungen, oder Mitstreitende klettern zurück nach unten. Es ist eine Beziehung, die vom Wandel lebt und Zeit sowie Pflege benötigt.

2. Öffentlichkeitsarbeit mit Plan


Das AIDA-Modell zur Werbewirksamkeit gilt auch für Spenden sammelnde Non-Profits: Sie müssen Öffentlichkeitsarbeit machen, um die breite Masse zu erreichen. Fragt euch dabei immer, wie zielgerichtet eure Kommunikation ist. Ihr müsst nicht zwingend in allen sozialen Netzwerken vertreten sein, wenn eure Zielgruppe sich dort gar nicht aufhält. Vielleicht trefft ihr sie stattdessen auf lokalen Veranstaltungen?

Praxisbeispiel

Matthias Daberstiel ist Vorstand des Dresdener Heimatvereins Lockwitz e. V. Die Zielgruppe findet er bei nebenan.de oder in Facebook-Gruppen, in denen historische Fotos und andere Zeitdokumente von Dresden geteilt werden. Indem er in diesen Gruppen kommuniziert, erreicht er viel mehr Menschen als über einen eigenen Kanal. So kann er unkompliziert auf die Vereins-Website hinweisen. Der erste Schritt in Richtung Spende ist gemacht.

3. Es darf rascheln und nicht nur klimpern


Es genügt nicht, bei einer Veranstaltung eine Spendendose aufzustellen und zu hoffen, dass jemand was reinwirft. Das ist der falsche Ansatz. Sprecht über eure Arbeit und begeistert die Zuhörenden von eurem Projekt, um dann aktiv und selbstbewusst um Spenden zu bitten. Es dürfen auch gerne Scheine statt Münzen sein – und auch darauf kann durchaus mit einem Augenzwinkern hingewiesen werden. Schließlich bietet ihr den Anwesenden die Chance, sich an einer wichtigen Sache zu beteiligen. Mehr Tipps zum Thema gibt es auf www.gutes-wissen-org.

4. Niemand, wirklich niemand spendet wegen der Spendenbescheinigung


Man liest es auf jeder Website, und zwar als erstes Argument fürs Spenden: „Bei uns bekommen Sie eine Spendenbescheinigung.“ Darum geht es aber überhaupt nicht. Es gibt ganze Studien dazu: Der Anteil derjenigen, die wegen der Bescheinigung spenden, liegt bei 0,5 Prozent. Das eigentliche Thema ist das der Organisation. Erzählt auf eurer Website und allen anderen Kanälen, was ihr macht, wie wichtig es ist und weshalb ihr dafür Unterstützung benötigt.

5. Behandelt die Spendenden wie Fans, nicht wie Kund*innen


Für viele Non-Profits ist Fundraising immer noch eine reine Finanzierungsquelle, und so behandeln sie ihre Spender*innen. Doch so fühlen sich diese nicht genug wertgeschätzt.

Folgendes Mindset ist wichtig: Ihr wollt Fans für die gute Sache gewinnen. Ihr Geld ist dabei nur Mittel zum Zweck und eure Organisation das Vehikel – letztere sollte daher ebenfalls in den Hintergrund rücken. Wenn ihr euch für eine Spende bedankt, zeigt den Menschen möglichst konkret, was sie damit Tolles getan haben. Zum Beispiel: „Sie haben Anke Müller eine psychosoziale Beratung finanziert.“

Spendende sollen das Gefühl haben, dass sie bei euch genau richtig sind und für ihre Unterstützung die angemessene Wertschätzung erhalten. Wenn sie einmal gespendet und gemerkt haben, welche positiven Reaktionen sie dafür bekommen, sind sehr viele weiterhin dabei.

Die Quoten von kleinen und mittelgroßen Vereinen, Spendende zu behalten, sind viel höher als bei großen Organisationen, die nur mit ihrer Marke werben.


Fußball als Paradebeispiel für gute Fankultur

Non-Profits können sich beim Fußball jede Menge abgucken, wenn es um den Umgang mit Unterstützenden bzw. Fans geht. Im Fußballstadion ist die Stimmung so emotional, dass vieles möglich ist: Fans können zum Beispiel auf das Pfand für leere Getränkebecher verzichten und damit die Jugendarbeit unterstützen, einen neuen Schal kaufen oder nehmen einen Flyer mit nach Hause, der über Crowdfunding für die Nachwuchsarbeit des Clubs informiert. Das ist Fundraising: Man spricht die Menschen genau da an, wo man sie emotional am besten erreicht. Non-Profits können diesen Moment bei Veranstaltungen auf ähnliche Weise nutzen.

5. Jede Spende verdient Wertschätzung, unabhängig von der Höhe


Entscheidend ist nicht die Höhe eines Spendenbetrages, sondern die ökonomische Leistungsfähigkeit, die dahintersteht. Wenn eine Person, die in einem Discounter an der Kasse arbeitet, 50 Euro spendet, ist das mehr wert als die 1.500-Euro-Spende einer Person, die über ein Jahresgehalt von 250.000 Euro verfügt. Letztere wird aber meistens im Gegensatz zur ersteren hofiert.

Für Spenden unter 20 Euro bedanken sich viele Organisationen gar nicht mehr. Das ist ein großer Fehler – zumal auch immer mehr Menschen Testspenden machen. Sie geben erst einmal eine kleinere Spende und schauen sich dann an, wie die Reaktion ausfällt. Sie testen die Vertrauenswürdigkeit der Organisation.

7. Lasst die richtigen Personen für euch werben


Regional bekannte Personen können als Schirmherr*innen viel bewirken. Ein Mann, der zum Beispiel als Organisator eines großen Festes im ganzen Dorf bekannt ist, kann auf Flyern oder mit seiner Unterschrift im Spendenbrief für eure Organisation werben. So entsteht eine Vertrauensbasis. Manche betrachten das vielleicht als Manipulation, aber im Endeffekt nutzt ihr damit nur vorhandene Potenziale.

8. Macht es der jüngeren Zielgruppe einfach, zu spenden


Einige Vereine werben jüngere Mitglieder mit niedrigen Monatsbeiträgen in Höhe von 1 bis 2 Euro. Das senkt die Einstiegshürde erheblich. Zwar ist der finanzielle Beitrag vorerst gering, aber die Mitglieder können durch Newsletter und persönliche Kommunikation eingebunden werden. Das führt langfristig oft zu höheren Spenden oder aktiver Mitarbeit.

Da junge Menschen ihr Handy kaum aus der Hand legen, sind Online-Spendenformulare essenziell, um diese Zielgruppe zu erreichen. Und sie sollten maximal einfach zu handhaben sein. Schnelles Spenden per Smartphone mit minimaler Dateneingabe – das entspricht ihrem Userverhalten.

9. Ihr habt mehr Kontaktpersonen, als ihr denkt!


Viele Organisationen nutzen ihr Kontaktpotenzial fürs Fundraising nicht aus. Ihr hab viel mehr Kontaktpersonen, als ihr denkt – zum Beispiel hat heutzutage fast jede*r einen Social-Media-Account bei Instagram, Facebook oder LinkedIn mit jeder Menge Follower*innen. Aktiviert zuallererst die Menschen, die ihr kennt und nutzt eure Datenbank.

Eine effektive Methode ist auch, jedem Mitglied eurer Non-Profit 10 Spendenbriefe mitzugeben, um sie zu verteilen. Bei 300 Kontakten erreicht man so 3.000 Personen. Eine persönliche Übergabe ist besonders wirksam. Der Schlüssel liegt darin, Leute zu finden, die inhaltlich bereits nah an der Organisation dran sind.

Beispiel: Jedes Mitglied identifiziert zehn Personen und spricht sie in den nächsten zwei Wochen an. Da mag unangenehm sein, ist aber effektiver, als Fremde zu überzeugen. Menschen, deren Vertrauen ihr bereits sicher habt, sind leichter zu gewinnen.

10. In Fundraising steckt das Wort Fun


Nicht vergessen: Es darf Spaß machen, um Geld zu bitten – schließlich wollt ihr damit eine gute Sache vorantreiben. Ihr könnt es selbstbewusst und direkt tun. Je klarer euch der emotionale Kern eures Projekts ist, umso leichter wird es euch fallen. Fragt euch, wofür ihr euch stark macht, seid stolz darauf und sprecht darüber.

Verwandte Themen: