Der Verlust der Gemeinnützigkeit ist in der Regel gleichbedeutend mit dem Ende der Non-Profit. Oft war den Betroffenen das Risiko vorher gar nicht klar. Dabei sind es immer wieder ähnliche Szenarien, die zur Aberkennung führen.
Risiko 1: Ihr ändert die gemeinnützigen Zwecke
Beispiel: Euer eingetragener Verein fördert Frauen, die sich selbstständig machen, durch Beratungs- und Fortbildungsangebote. Das ist auch das satzungsmäßige Ziel. Weil ihr euch über die mangelnde Unterstützung für eure Gründungsprojekte ärgert, erweitert ihr die Satzung auf den zusätzlichen Vereinszweck “Umsatzförderung von Unternehmen, die unter Betreuung des Vereins gegründet wurden”.
Das Problem: Ihr müsst damit rechnen, dass die Satzungsänderung zum Verlust der Gemeinnützigkeit führt. Die geänderte Satzung muss nicht nur in das Vereinsregister beim zuständigen Amtsgericht eingetragen werden. Wenn sie Aspekte der Gemeinnützigkeit betrifft, müsst ihr sie auch dem Finanzamt zur Prüfung vorlegen. Das wird beanstanden, dass Umsatzförderung bestimmter, konkreter Unternehmen – anders als die Gründungsförderung von Frauen generell – kein gemeinnütziges Ziel darstellt. Deshalb droht euch die Einordnung als eigenwirtschaftlich und eurem Verein die Aberkennung der Gemeinnützigkeit sowie die Löschung aus dem Vereinsregister.
Tipp: Lasst euch vor einer Änderung der satzungsgemäßen Ziele beraten, z.B. von einer Anwält*in. Ihr könnt auch beim Finanzamt direkt fragen, ob eine bestimmte Änderung zu Problemen führt. Eine verbindliche Auskunft vom Fiskus kostet zwar ebenfalls Geld. Aber wenn sie den Verlust der Gemeinnützigkeit erspart, lohnt sich das. Außerdem kann auch bereits eine unverbindliche und damit kostenlose Auskunft des Finanzamts weiterhelfen.
Risiko 2: Ihr ändert die Vermögensbindung in der Satzung
Beispiel: Nehmen wir denselben Verein. Angenommen, eines Tages stolpert eine von euch über eine Bestimmung in der Satzung, bspw. den Zusatz “im Fall der Auflösung oder bei Aufgabe der gemeinnützigen Zwecke soll das Vereinsvermögen der Volkshochschule zugutekommen”.
Das macht in euren Augen keinen Sinn. Deshalb ändert ihr die Satzung. Die neue Vermögensbindungsklausel lautet: “Im Fall der Auflösung oder bei Aufgabe der gemeinnützigen Zwecke wird das Vereinsvermögen an geeignete Initiativen für frauenpolitische Aktivitäten übertragen.”
Das Problem: Die Vermögensbindungsklausel entspricht nach der Änderung nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen. In den Augen des Finanzamts ist nicht mehr sichergestellt, dass Spendengelder, die ihr erhaltet, nach einer möglichen Auflösung eures Vereins einer anderen gemeinnützigen Organisation zugutekommen. Eine Volkshochschule ist gemeinnützig. Eine “Initiative” kann dagegen alles Mögliche sein, und politische Aktivitäten sind per se nicht gemeinnützig.
Tipp: Ihr müsst nicht unbedingt eine konkrete gemeinnützige Organisation nennen, die euer Vermögen im Fall der Auflösung erbt. Das ist aber der sicherste Weg. Zumindest muss sichergestellt sein, dass kein Vermögen in nicht gemeinnützige Hände abfließt.
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Generell gilt: Nicht jede Satzungsänderung ist aus Sicht der Gemeinnützigkeit problematisch. Aber neben Änderungen, die die Zwecke betreffen, sind auch die Klauseln zur Vermögensbindung und zur Selbstlosigkeit (die beide in der Satzung auftauchen müssen), potenziell riskant. Lasst euch rechtzeitig beraten.
Risiko 3: Ihr betreibt aus Sicht des Finanzamts politische Meinungsbildung
Beispiel: Der bekannteste Fall ist wohl Attac. (Hier gibt’s mehr zu den Umständen). Laut Satzung ging es Attac um “die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Förderung des Schutzes der Umwelt und des Gemeinwesens, der Demokratie und der Solidarität unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung”. In Wirklichkeit, so sahen es später die Richter, habe Attac in der “tatsächlichen Geschäftsführung” jedoch konkrete politische Ziele verfolgt. Deshalb wollte das Finanzamt von dem Verein Körperschaftssteuer. Der anschließende Rechtsstreit ging bis zum Bundesfinanzhof (dem höchsten deutschen Steuergericht), und das gleich zweimal. Der BFH entschied beide Male gegen Attac.
Das Problem: Politische Meinungsbildung und Kampagnen zu konkreten politischen Anliegen sind nicht gemeinnützig, jedenfalls nicht im steuerrechtlichen Sinn. Sie fallen auch nicht unter ein in der Satzung vorgesehenes Ziel, die politische Bildung zu fördern, sondern sind die Aufgabe politischer Parteien. Das zumindest ist die Ansicht des Bundesfinanzhofs. “Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck” lautete der Leitsatz der zweiten BFH-Entscheidung zu Attac.
Tipp: Gemeinnützige Organisationen müssen nicht apolitisch sein. Das ist eindeutig, trotz der Gerichtsentscheidungen, die Attac die Gemeinnützigkeit kosteten (und kontrovers diskutiert wurde).
Allerdings sind gemeinnützige Organisationen keine politischen Parteien, die zu wechselnden Themen aus allen Bereichen bestimmte Positionen festlegen, die sie dann in der öffentlichen Diskussion vertreten und für deren Durchsetzung sie gezielt werben. Klare politische Stellungnahmen sollten sich auf die Bereiche beschränken, die mit den Satzungszielen zu tun haben. Natürlich könnt ihr euch darüber hinaus auch jederzeit gegen Frauenhass, Rassismus oder Terror aussprechen. Wenn ein Sportverein jedoch zu allen möglichen Themen der Tagespolitik gezielt Kampagnen startet oder bestimmte politische Kandidat*innen unterstützt, kann das die Gemeinnützigkeit kosten.
Hier findet ihr mehr dazu, wann und wie ihr euch politisch äußern dürft. Und an dieser Stelle geben wir Antworten, ob ihr euch in das Lobbyregister eintragen müsst.
Risiko 5: Kommerzielle Aktivitäten werden zum eigentlichen Schwerpunkt
Beispiel: Ihr betreibt als gemeinnütziger Verein einen kleinen Kinderbauernhof mit zwei Ponys, drei Ziegen und einem halben Dutzend Enten. Das Café, das ihr für eure kleinen und großen Gäste aufgemacht habt, ist ein Riesenerfolg – vor allem die selbstgebackenen Kuchen. Inzwischen backt ihr in einer professionellen Backstube, fahrt mit drei Verkaufswagen auf Wochenmärkte und habt sogar eine Marke und ein Logo. Der Verein ist Arbeitgeber von mehreren Leuten, der Umsatz mit den Konditoreiwaren steigt.
Das Problem: Offensichtlich betreibt ihr ein Gewerbe mit Gastronomie und Backwaren-Verkauf. Der Kinderbauernhof ist für eure tatsächliche Geschäftsführung nur noch ein Nebenschauplatz. Das Finanzamt wird eure Gemeinnützigkeit in Zweifel ziehen und von Eigenwirtschaftlichkeit sprechen. Vielleicht erhebt auch der Inhaber des Bäckereibetriebs gegenüber eine Konkurrentenklage, weil ihr ihm Kunden wegnehmt. Dann droht euch ebenfalls die Löschung des Vereins aus dem Vereinsregister.
Tipp: Gemeinnützig seid ihr nur, wenn ihr euer Vermögen für eure satzungsgemäßen Zwecke einsetzt, statt es in erster Linie in geschäftliche Aktivitäten zu (re-)investieren oder auf einem Depotkonto gewinnbringend anzulegen. Das bedeutet nicht, dass ihr keine wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe haben dürft. Sie dürfen jedoch genauso wenig zum eigentlichen Daseinszweck eurer Non-Profit werden wie Investments oder andere Formen des Geldverdienens.
Umgekehrt: Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb wird zum Kostengrab
Beispiel: Der Vogelschutzverein hat sich für viel Geld ein eigenes Café ausbauen lassen und nobel eingerichtet. Dummerweise läuft es nicht gut. Der Umsatz ist auch dieses Jahr wieder zu niedrig, um die Kosten zu decken. Es bleibt nichts anderes übrig, als das Café erneut mit Vereinsmitteln über Wasser zu halten.
Das Problem: Eine gemeinnützige Organisation darf ihre Mittel nur für die gemeinnützigen, satzungsgemäßen Ziele einsetzen. Wenn sie damit auf Dauer einen vereinseigenen Geschäftsbetrieb bezuschusst, stellt das eine Fehlverwendung dar und führt deshalb zum Verlust der Gemeinnützigkeit.
Tipp: Wenn ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb das Vermögen eurer Non-Profit auf Dauer schmälert, anstatt es zu vergrößern, helfen nur noch ein harter Sparkurs oder ein klarer Schnitt. Anders kann das aussehen, wenn dieser Betrieb direkt mit den gemeinnützigen Zielen zu tun hat. Beim Café in unserem Beispiel ist das nicht der Fall. Aber ein Musikschulverein kann eine Musikschule auch dann betreiben, wenn sie sich nicht selbst trägt.
Mehr zum Unterschied zwischen Zweckbetrieben und wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben steht im Beitrag “Gemeinnützig, aber mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb – oder doch ein Zweckbetrieb?”.
Risiko 6: Eure “tatsächliche Geschäftsführung” hat nicht mehr viel mit den satzungsgemäßen Zielen zu tun
Beispiel: Euer Verein wurde als Denkmalschutzverein gegründet, um alte Häuser im Nachbardorf vor der Abrissbirne zu retten. Das steht auch nach wie vor so in der Satzung. Doch nachdem das gelungen ist, haben sich die Interessen eurer Mitglieder geändert. Jetzt lernt ihr zusammen Tänze aus Lateinamerika, veranstaltet Trommel-Workshops und Partys mit lateinamerikanischer Musik, um Künstler*innen aus Kuba, Guatemala und Peru zu fördern.
Das Problem: Euer Verein hat ein Problem, wenn die Förderung lateinamerikanischer Tanz- und Musikkultur nicht in der Satzung vorkommt. Es genügt nicht, dass das theoretisch ein gemeinnütziger Zweck sein könnte. Er muss ganz konkret in eurer Satzung stehen. Eine von der Satzung abweichende “tatsächliche Geschäftsführung” kann direkt in den Verlust der Gemeinnützigkeit münden. Zum Beispiel deshalb, weil die Latino-Partys und die Trommel-Workshops dann keine Zweckbetriebe sind.
Tipp: Wenn die Satzung nicht mehr zu dem passt, was ihr macht oder machen wollt, dann müsst ihr die Satzung ändern. Das erfordert Vorsicht und Überlegung, wie gerade gesehen. Die Satzung nicht zu ändern, ist aber keine Alternative. In manchen Fällen kann sogar die freiwillige Aufgabe der Gemeinnützigkeit sinnvoll sein – immer dann, wenn eure “tatsächliche Geschäftsführung” nicht mehr zu dem passt, was Finanzbehörden und das Registergericht unter gemeinnützig verstehen.
Das Risiko besteht nicht nur bei politischer Meinungsbildung (vgl. das Attac-Beispiel) oder primär kommerziellen Aktivitäten. Vielmehr ist es immer so: Das, was die Non-Profit im Alltag tut, muss zu dem passen, was ihre Satzung vorsieht.
Risiko 7: Ihr zahlt unangemessene oder nicht durch die Satzung gedeckte Zuwendungen oder Vergütungen
Beispiel: Weil die Vorstandsarbeit immer mehr Zeit in Anspruch nimmt, beschließt ihr, dem neuen Vorsitzenden eine Aufwandsvergütung zu zahlen. Und weil der Verein zurzeit viel Geld hat, bekommt die bisherige Vorsitzende zum Abschied eine Flasche außergewöhnlich guten Wein im Wert von 500 Euro. Den hat sie sich nach all den Jahren als Dankeschön für ihre Aufbauarbeit verdient.
Das Problem: Wenn eine gemeinnützige Organisation zu freigebig auftritt, wird das Finanzamt hellhörig, denn dann ist die vom Gesetz geforderte “Selbstlosigkeit” in Gefahr. Solche Verstöße stellen sehr schnell die Gemeinnützigkeit in Frage.
Um die Selbstlosigkeit zu gewährleisten, darf ein e. V. seinen Mitgliedern keine Zuwendungen gewähren, die über kleinere Aufmerksamkeiten zu passenden Anlässen hinausgehen. Aufwandserstattungen dürfen an Vorstandsmitglieder eines e. V. oder einer Stiftung nur dann gezahlt werden, wenn die Satzung diese Möglichkeit vorsieht.
Gesellschafter*innen einer gGmbH dürfen nicht mehr als die eingezahlten Kapitalanteile bekommen, wenn sie ausscheiden. Eine überhöhte Vergütung für die Geschäftsführer*in einer gGmbH ist ebenfalls ein Verstoß gegen die Selbstlosigkeit. Besonders gefährlich sind Leistungen an Gesellschafter*innen, die eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen. Das gilt für Zahlungen, aber beispielsweise auch für ein von der Gesellschaft geleastes und bereitgestelltes Auto. Verdeckte Gewinnausschüttungen führen nicht nur zu Steuernachforderungen, sie stellen die Gemeinnützigkeit insgesamt in Frage, weil sie als nachträgliche Änderung der Vermögensbindung gelten.
Tipp: Dass die Satzung die Möglichkeit von Aufwanderstattungen oder Vergütungen vorsieht, bedeutet nicht, dass diese auch bezahlt werden müssen. Eine entsprechende Klausel kann den nötigen Spielraum verschaffen, falls das Thema zukünftig dann doch einmal akut wird. Hauptsache, der Verein oder die Stiftung leistet keine Zahlungen oder Zuwendungen, die gegen die Satzung verstoßen oder als Selbstbedienung ausgelegt werden können.
“Aufmerksamkeiten” oder “Annehmlichkeiten” für Mitglieder sollten einen klaren Anlass haben (Geburtstag, Vereinsjubiläum o. ä.), nicht aus Bargeld bestehen und einschließlich Umsatzsteuer den Wert von 60 Euro nicht überschreiten. Dieser Betrag stammt aus den Lohnsteuerrichtlinien und gilt für Aufmerksamkeiten für Arbeitnehmer*innen. Die Finanzbehörden wenden ihn in der Regel auch auf Non-Profits und ihre Mitglieder an.
Eine gemeinnützige Kapitalgesellschaft wie eine gGmbH wandelt bei Zuwendungen an Gesellschafter*innen auf besonders dünnem Eis. Das gilt gerade, wenn diese als Abfindungen, Entschädigungen, Vergünstigungen oder ähnliches gestaltet sind. Ein*e kompetente Steuerberater*in hilft, solche Probleme zu vermeiden.