Seit 2023 können Vereine Mitgliederversammlungen ausdrücklich auch mit Online-Teilnahmemöglichkeit durchführen. Allerdings müsst ihr dafür einige Regeln beachten. Ein Gerichtsurteil zeigt, dass ihr die digitale Teilnahme sorgfältig organisieren solltet.
Stand: 19. Februar 2025
Euer Verein kann Mitgliederversammlungen nicht nur als Präsenzversammlung abhalten, bei der alle Mitglieder an einem Ort zusammenkommen. Schon seit 2023 sind solche Versammlungen auch rein digital oder hybrid möglich. Hybrid bedeutet, dass eure Mitglieder sich aussuchen können, ob sie online oder direkt vor Ort teilnehmen.
Voraussetzungen für eine digitale oder hybride Durchführung
Das Gesetz legt für die beiden Durchführungsformen unterschiedliche Voraussetzungen fest:
- Eine hybride Mitgliederversammlung, an der die Mitglieder sowohl virtuell als auch in Präsenz teilnehmen können, dürfen die Verantwortlichen eures e. V. von sich aus ansetzen.
- Dagegen müssen die Mitglieder die Möglichkeit rein virtueller Mitgliederversammlungen zuerst beschließen, bevor sie angesetzt werden dürfen.
- Ausnahme: Wenn virtuelle Mitgliederversammlungen bereits in eurer Satzung vorgesehen sind, benötigt ihr natürlich keinen zusätzlichen Beschluss.
Falls in eurer Satzung nichts über virtuelle Mitgliederversammlungen steht und ihr dazu übergehen wollt, solltet ihr also zuerst eine Präsenz- oder eine hybride Versammlung einberufen. Dort kann dann für alle weiteren Mitgliederversammlungen die Möglichkeit der rein digitalen Durchführung beschlossen werden. Natürlich muss eine Mehrheit eurer Mitglieder dem Vorschlag zustimmen.
Kein Anspruch auf digitale Durchführung
Euer Verein ist nicht verpflichtet, eine digitale Teilnahme an Mitgliederversammlungen zu ermöglichen oder die Versammlungen in Zukunft nur noch virtuell abzuhalten. Beides sind „kann“-Bestimmungen. Einzelne Mitglieder haben keinen Anspruch auf diese Durchführungsform oder auf eine digitale Teilnahmemöglichkeit.
Gilt auch für Vorstandsbeschlüsse und Stiftungsvorstände
Der § 32 BGB, der Mitgliederversammlungen regelt, gilt auch für die Beschlussfassung im Vereinsvorstand, wenn dieser aus mehreren Personen besteht. Die Gesetzesänderung erlaubt damit auch hybride und rein digitale Vorstandssitzungen und -beschlüsse. Die Regelung gilt zudem für Stiftungsvorstände, falls keine anderslautenden Vorgaben in ihrer Satzung stehen.
Anforderungen an die digitale Vereinsversammlung
Die Einladung zu einer digitalen oder hybriden Mitgliederversammlung muss darüber informieren, „wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können“. Weitere Vorgaben macht das Gesetz nicht. Es lässt damit viele Möglichkeiten offen: Videokonferenzen mit Apps wie Microsoft Teams, Zoom, Skype oder FaceTime, reine Telefonkonferenzen, Chat-basierte Meetings, die Abstimmung über Projekttools oder sogar per E-Mail.
Diese Unbestimmtheit lässt viele Freiheiten, sie kann jedoch zum Problem werden. Wenn eure Mitglieder digital an der Vereinsversammlung teilnehmen, müssen sie alle Möglichkeiten haben, die sie auch direkt vor Ort hätten. Das Gesetz spricht davon, dass „Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben“.
Zur digitalen Teilnahme gehört also auf jeden Fall die Möglichkeit, …
- sich an Diskussionen zu beteiligen,
- Anträge zu stellen und
- bei Abstimmungen eine Stimme abzugeben.
Technik und Organisation müssen dies bei virtuellen Versammlungen gewährleisten. Außerdem haben die Teilnehmer*innen einen Anspruch auf Schutz vor Manipulationen ihrer Beiträge, auf IT-Sicherheit und auf Datenschutz.
AG Spandau: Fehler bei hybrider Versammlung, Beschlüsse ungültig
Eine Entscheidung zu den konkreten Anforderungen an hybride Vereinsversammlungen traf das Amtsgericht Spandau im Sommer 2024. Es hob sämtliche Entscheidungen auf, die zwei hybride Mitgliederversammlungen eines Berliner Vereins getroffen hatten. Darunter waren eine Vorstandswahl und die Vorstandsentlastung. Ein Mitglied des Vereins hatte die Wahl angefochten.
Entscheidend für die Aufhebung waren zwei Rechtsmängel der Einladung zu den hybriden Versammlungen. Damit war diese nicht ordnungsgemäß einberufen worden und ihre Beschlüsse deshalb nichtig:
1. Bei beiden Versammlungen mussten sich Mitglieder zur digitalen Teilnahme spätestens fünf Tage vorher registrieren. Eine solche verbindliche Frist hätte aber nur die Vereinssatzung vorgeben können. Sie durfte nicht einfach im Rahmen der Organisation festgelegt werden.
2. Außerdem erläuterte die Einladung nicht ausreichend, wie Mitglieder digital teilnehmen konnten. Sie erwähnte zwar, dass für Abstimmungen das Online-Wahl-Tool Polyas genutzt werden sollte, sagte aber nichts zu Wortmeldungen und Anträgen.
Tipps zur hybriden oder digitalen Vereinsversammlung: Stolpersteine vermeiden
Die Urteilsbegründung des Spandauer Richters zeigt: Wenn ihr in eurem Verein hybride oder digitale Vereinsversammlungen durchführen wollt, solltet ihr die Hürden für die Teilnehmer möglichst niedrig legen. Eine verbindliche Registrierungsfrist oder fehlende Informationen zu den technischen Tools können schnell dazu führen, dass die Versammlungsergebnisse anfechtbar sind.
Die Teilnahme an Vereinsversammlungen ist ein Grundrecht jedes Mitglieds. Ihr dürft die Teilnahmemöglichkeit auch digital nur einschränken, wenn die Satzung Einschränkungen vorsieht. Deshalb könnt ihr Mitglieder, die digital teilnehmen möchten, zwar um eine Vorabregistrierung bitten. Das sollte aber keine Vorbedingung sein.
Nennt die Tools und Geräte zur digitalen Teilnahme und verlinkt auf Einführungen oder Hilfe-Texte, damit sich alle vorher informieren können. Ebenfalls wichtig: Denkt an Datenschutz und IT-Sicherheitsmaßnahmen, um Manipulationen und Angriffen vorzubeugen.
Anfechtungsgründe vermeiden
Es gibt noch nicht viele Urteile zu digitalen oder hybriden Versammlungen. Trotzdem lassen sich weitere Szenarien vorstellen, in denen Mitglieder die Beschlüsse mit guten Erfolgschancen anfechten können:
- Die virtuelle Teilnahme erfordert Software oder Hardware, die nicht ohne weiteres verfügbar ist, Datenschutzvorschriften verletzt oder viel Geld kostet.
- Die technische Plattform ermöglicht auch Nichtmitgliedern die Stimmabgabe bei der Vorstandswahl, wenn sie den richtigen Link kennen.
- Es gibt keine Kontrolle darüber, wer sich zuschaltet oder wer bei der Abstimmung wirklich hinter den ausgeschalteten Kameras sitzt.
- Es besteht der Verdacht, dass Teilnehmer*innen, die vor Ort an der hybriden Versammlung teilnehmen, per Smartphone ein zweites Mal abstimmen.
- Das Conferencing-Tool bricht laufend zusammen, so dass nicht alle Mitglieder ihre Meinung äußern können und möglicherweise nicht alle Stimmen gezählt werden.
- Bei einer hybriden Versammlung übernehmen physisch Anwesende in der Diskussion laufend das Wort, die rein virtuell präsenten Vereinsmitglieder können sich nicht angemessen äußern.
Mitgliederversammlung in Präsenz, virtuell oder als Mischform? Am besten ist eine pragmatische Regelung
Wenn ihr überlegt, welche Form der Mitgliederversammlung ihr für euren Verein wählt und wie ihr die Entscheidung festschreibt, sind die folgenden 5 Punkte vielleicht hilfreich:
- Wenn eure Mitglieder weit verteilt wohnen, kann die hybride Durchführung die Beteiligung an den Jahresversammlungen deutlich erhöhen. Die virtuelle Veranstaltungsform erfordert jedoch gute Vorbereitung und funktionierende Abläufe. Das sollte man nicht unterschätzen.
- Treffen virtuelle Teilnahmemöglichkeiten intern auf großen Widerstand, kann das die Anfechtung von Beschlüssen und Wahlen wahrscheinlicher machen. Deshalb lohnt sich eine Bestandsaufnahme: Wie gut kommt die digitale Versammlungsform bei euren Mitgliedern an? Stellt sie manche von ihnen vor größere Schwierigkeiten?
- Die Hybridvariante benötigt weder einen Mitgliederbeschluss noch eine Satzungsregelung. Trotzdem hängt das Gelingen davon ab, dass euer Vorstand die Mitglieder früh ins Boot holt. Es folgt nicht nur aus dem Gesetz, dass sie über die Teilnahmemöglichkeiten zu informieren und bei Fragen zu unterstützen sind. Das entscheidet auch darüber, ob die Online-Mitgliederversammlung euren Verein voranbringt.
- Eine Satzungsänderung bedeutet Aufwand. Trotzdem kann es sinnvoll sein, die genauen Vorgaben für die Versammlung in der Satzung unterzubringen. Schließlich geht es um das wichtigste Organ eures Vereins.
- Unterschätzt die sozialen Aspekte nicht. Online-Meetings haben nun einmal eine ganz andere Dynamik als Präsenztreffen. Das gilt auch im Vereinskontext. Unter Umständen bekommt die Sitzungsleitung im digitalen Rahmen zusätzlichen Einfluss. Aussprachen können weniger lebendig, Diskussionen unübersichtlicher und die Veranstaltung als Ganzes vielleicht anstrengender werden. Diese Möglichkeit solltet ihr mit bedenken.
All das sind keine Argumente gegen Mitgliederversammlungen, in denen sich Mitglieder von überall aus einbringen können. Im Gegenteil: Digitale Teilnahmemöglichkeiten können breitere Mitwirkungsmöglichkeiten schaffen und so die Demokratie im Verein fördern. Schlecht vorbereitete virtuelle Versammlungen bewirken jedoch garantiert das Gegenteil.
Alternative zur Mitgliederversammlung: Schriftliche Beschlussfassung durch alle Mitglieder
Als Alternative zur Abstimmung auf der Mitgliederversammlung könnt ihr Vereinsbeschlüsse auch dadurch herbeiführen, dass jedes Mitglied seine oder ihre Zustimmung erklärt. Dabei kam es vor kurzem zu einer wichtigen Änderung. Die Zustimmung kann jetzt auch in Textform gegeben werden, also zum Beispiel mit einer SMS.
Diese Variante ist in der Regel nur für kleinere Vereine praktikabel, sie kann dort aber selbst für grundlegende Entscheidungen wie etwa die Auflösung oder eine Änderung des Satzungszwecks genutzt werden.