Alex Wilson ist Co-Gründer der US-amerikanischen Kryptospenden-Plattform The Giving Block. Im Interview erzählt er, warum immer mehr Menschen Kryptowährungen spenden und welche Dimensionen der Kryptospendenmarkt inzwischen angenommen hat.
English version: “Crypto is simply another way to give”
Alex, in Deutschland gibt es bisher wenige Wohltätigkeitsorganisationen, die Kryptowährungen als Spende akzeptieren. Kannst du die Anfänge des Ökosystems in den USA beschreiben?
Als wir The Giving Block vor über sechs Jahren gründeten, gab es nur eine Handvoll gemeinnütziger Organisationen, die Kryptowährungen überhaupt akzeptierten. Aber selbst diese hatten damit zu kämpfen, weil sie eher Zahlungslösungen, weniger Spendenlösungen benutzten. Und dann kam der Pineapple Fund.
Was ist der Pineapple Fund?
Der Pineapple Fund war eine große Inspiration, warum wir unser Unternehmen überhaupt gegründet haben. Ende 2017 postete jemand anonym auf der Social-Media-Plattform Reddit: ‘Ich habe eine Menge Geld mit Bitcoin verdient, und jetzt möchte ich Millionen von Dollar an verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen spenden.’ Alle dachten, das klingt wie ein Betrug. Wer spendet schon so viel Geld über Reddit? Trotzdem bewarben sich Non-Profits aus der ganzen Welt.
Am Ende stellte sich heraus, dass das alles echt war. Bitcoin im Wert von 55 Millionen Dollar wurden an etwa 60 verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen gespendet. Im Durchschnitt erhielt jede etwa 1 Million Dollar. Die Leute konnten es nicht glauben.
Dann hat der Pineapple Fund das Thema Kryptospenden mainstreamfähig gemacht?
Es war sicherlich eine Kombination aus verschiedenen Faktoren. Der Pineapple Fund hat viel dazu beigetragen, aber ab 2017 waren Kryptowährungen auch stärker in den Medien präsent. Bitcoin hatte zum ersten Mal die 20.000 Dollar Marke überschritten. Es gab immer mehr Geschichten über Menschen, die durch Investitionen in Kryptos reich geworden waren.
Vor 2017 hatten die Leute kaum etwas darüber gehört. Und wenn doch, dachten sie: ‘Das wird in zwei Jahren vorbei sein.’ Bis heute ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Kryptowährungen lediglich von einer Handvoll Nerds benutzt werden. Der Pineapple Fund änderte das, und Non-Profit-Organisationen erkannten, dass diese Technologie tatsächlich Bestand haben wird.
Wie hat das die Gründung von The Giving Block inspiriert?
Mein Mitgründer und ich dachten uns: Das wird vermutlich nicht das letzte Mal sein, dass jemand Geld mit Kryptowährungen verdient und es spenden möchte. Also beschlossen wir, diejenigen Wohltätigkeitsorganisationen zu interviewen, die Spenden aus dem Pineapple Fund erhalten hatten. Dieses Feedback nutzten wir dann, um das MVP (Minimum Viable Product, deutsch: kleinstes funktionsfähiges Produkt) von The Giving Block zu entwickeln.
Gemeinnützige Organisationen in den Vereinigten Staaten sind ziemlich technikaffin. Auch der Sektor selbst ist hier deutlich größer, und die Organisationen sind in der Lage, Investitionen in neue Technologien zu tätigen. Das war unser Vorteil.
Wie habt ihr die Anfangshemmungen überwunden, die gemeinnützige Organisationen zunächst hatten?
Es gab kein Patentrezept, sondern bedurfte einer Menge Aufklärungsarbeit in Form von Präsentationen, Webinaren, Auftritten auf Konferenzen, dem Schreiben von Blogs usw. Und es ist noch immer nicht ganz im Mainstream angekommen. Viele Leute denken, Krypto sei nur etwas für Kriminelle und solche absurden Dinge. Aber wenn man sich wirklich einmal eine Stunde Zeit nimmt und ihnen die Grundlagen erklärt, fangen sie an, es zu verstehen. Was für viele gemeinnützige Organisationen augenöffnend ist, ist die Tatsache, wie viele Menschen bereits Krypto nutzen.
Wenn man es mit früheren Technologien wie Kreditkarten vergleicht, ist es ähnlich. Vor zehn Jahren akzeptierte kaum jemand Kreditkarten bei einer Spende. Heute erscheint das verrückt. Wir denken, dass Kryptospenden einen ähnlichen Weg nehmen werden.
Wo wir gerade von Zahlen sprechen: Wie groß ist der Markt für Krypto-Spenden in den Vereinigten Staaten, wie viele Organisationen akzeptieren Kryptowährungen?
Wir arbeiten direkt mit etwa 2.000 Wohltätigkeitsorganisationen zusammen. Indirekt sind es noch einige tausend mehr, die unser Tool über Partner-Plattformen verwenden. Wir unterstützen zum Beispiel die Krypto- und Aktienspenden großer Fundraising-Plattformen wie Donor Box, die ihr wahrscheinlich auch in Europa kennt. Die allein arbeiten mit über 50.000 gemeinnützigen Organisationen zusammen.
Allein durch uns wurden in den letzten Jahren Hunderte von Millionen Dollar in Kryptowährungen gespendet. Und dann gibt es ja noch andere Anbieter, z. B. Fidelity Charitable. Die haben ebenfalls Hunderttausende von Dollar in Krypto eingesammelt.
Seit wir vor sechs Jahren angefangen haben, wurden so Kryptos im Wert von über 1 Milliarde Dollar gespendet. Es ist wirklich erstaunlich, was für eine Wirkung das bereits hatte.
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Welche Motivation hat ein*e Spender*in, Kryptowährungen anstelle von traditionellen Vermögenswerten zu spenden?
Es gibt zwei Hauptgründe: Einer ist einfach Bequemlichkeit. Manche Krypto-Natives halten praktisch ihr gesamtes Nettovermögen in Kryptowährungen. Die haben vielleicht 500 Dollar auf ihrem Bankkonto, aber 50.000 Dollar in ihrer Krypto-Wallet. Es gibt eine überraschende Anzahl derer, die sagen: ‘Hey, ich schicke dir 100 Dollar in Bitcoin oder Stablecoins, weil das für mich einfacher ist.’ Sie wollen sich nicht die Mühe machen, das Geld zuerst auf ihr Bankkonto zu überweisen.
Der wichtigste Faktor allerdings ist der steuerliche Vorteil. In den USA ist die Spende von Sachwerten wie Kryptowährungen und Aktien deutlich steuergünstiger. Wer Kryptos spendet, muss keine Kapitalertragssteuer zahlen und kann die Spende in voller Höhe absetzen. Da Wohltätigkeitsorganisationen steuerbefreit sind, müssen auch sie keine Steuern zahlen. So profitieren beide Seiten.
Kannst du uns ein Beispiel geben?
Nehmen wir eine Spende von 1 Million Dollar. Wenn die spendende Person die Kryptowährung zuerst in Geld umtauscht, bleiben ihr nach Abzug der Steuern vielleicht 700.000 Dollar für die Spende. Sie bekäme dann eine Abschreibung für 700.000 Dollar. Wenn sie die 1 Million Dollar nun direkt in Bitcoin an die Organisation spendet, zahlt sie keine Steuern und kann die vollen 1 Million Dollar absetzen.
Außerdem erhält auch die Organisation diesen höheren Betrag. Jeder ist damit um etwa 300.000 Dollar besser dran. Der Einzige, der verliert, ist das Finanzamt. Wir sagen den Krypto-Spendern immer: ‘Wollt ihr lieber an die Wohltätigkeitsorganisation eurer Wahl oder an die Steuerbehörde spenden?’
Bei wohlhabenden Spendenden ist das längst gängige Praxis. Wenn Bill Gates zum Beispiel spendet, tut er das in Form von Microsoft-Aktien. Aus dem gleichen Grund: Es ist steuerlich einfach effizienter.
Wie lassen sich Krypto-Spender*innen am besten erreichen?
Wir sehen oft, dass Non-Profits die Möglichkeit zur Annahme von Kryptowährungen einrichten, dann aber niemandem davon erzählen. Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Annahme von Kryptowährungen und dem aktiven Fundraising dafür. Es braucht beides.
Das bedeutet aber nicht, dass es eine eigene Krypto-Fundraising-Strategie braucht. Non-Profits sollten Kryptospenden lieber in ihre bestehenden Marketingstrategien einbeziehen. Nutzt euren Newsletter oder eure Social-Media-Kanäle. Krypto ist ganz einfach eine weitere Möglichkeit, zu spenden – man muss sie nur auf der Karte haben. Organisationen sind oft angenehm überrascht, wie viele aus ihrem bestehenden Spendenkreis bereits Kryptos besitzen.
Was passiert mit den Kryptos, wenn eine gemeinnützige Organisation die Spende erhält?
Gute Frage, denn eine der häufigsten Sorgen, die wir von Wohltätigkeitsorganisationen hören, betrifft die Volatilität von Kryptowährungen. Sie wollen natürlich nicht, dass der Wert der Spende sinkt. Mit unserer Plattform wird eine Krypto-Spende sofort in US-Dollar umgewandelt.
Die Organisation muss nichts weiter tun, es ist komplett automatisiert. Gleichzeitig erhält sie die Spendeninformationen, die sie eben braucht. Es soll nicht schwieriger als andere Formen des Spendens sein.
Warum steht eigentlich Deutschland nicht auf der Liste der von euch unterstützten Länder?
Leider ist unser Partner, den wir für die Liquidationen einsetzen, in Deutschland nicht zugelassen. Solange er diese Lizenz nicht besitzt, können wir den Service in Deutschland nicht anbieten. Die einzige Alternative wäre, wenn es sich um eine globale Non-Profit-Organisation mit einer US-amerikanischen – oder einer österreichischen, usw. – Niederlassung handelt, die wir unterstützen.
Deutschland ist ein schwieriger Markt, wenn es um Krypto geht. Es gibt nicht viele Unternehmen, die dort die nötigen Lizenzen besitzen. Ich denke, das wird einfacher, wenn die MiCA (Markets in Crypto-Assets Regulation) nächstes Jahr in Kraft tritt.
Irgendwelche letzten Worte an deutsche Non-Profits, die noch keine Kryptowährungen akzeptieren?
Es ist nicht so beängstigend, wie ihr denkt! Wenn ihr dieses Interview gelesen habt, seid ihr den ersten Schritt schon gegangen. Geht es langsam an und beschäftigt euch allmählich mit dem Thema. Abonniert einige Newsletter, folgt ein paar Blogs. Die meisten gemeinnützigen Organisationen werden angenehm überrascht sein, wie weit verbreitet Kryptospenden sind. Krypto kommt. Und man muss Kryptos nicht mögen, um sie zu akzeptieren.
Vielen Dank für das Gespräch, Alex!
Die Originalfassung des Gesprächs in Englisch findet ihr hier.