Wie aus einem Verein heraus ein tragfähiges Geschäftsmodell entstehen kann, hat uns Farid Bidardel von CodeDoor erzählt. Indirekte Zielgruppen und reger Austausch mit allen Beteiligten spielen dabei eine wichtige Rolle.
Farid Bidardel hat im Jahr 2015 den gemeinnützigen Verein
CodeDoor e.V. gegründet, um Programmier-Trainings für Geflüchtete und benachteiligte Menschen
anzubieten. Wie so viele Non-Profits war auch CodeDoor komplett auf
Fördermittel angewiesen.
Heute gibt es zusätzlich zum Verein
eine GmbH. Außerdem hat CodeDoor Finanzierungsquellen dazugewonnen – mit Lizenzzahlungen
von Bildungseinrichtungen und gemeinnützigen Organisationen für die Nutzung der
selbst entwickelten Lernplattform.
Wie habt ihr es geschafft, CodeDoor finanziell auf stabile Beine zu stellen?
Farid
Bidardel: Wichtig
war vor allem, dass es mehrere Standbeine sind. In den ersten Jahren haben wir
viel mit Fördernden gearbeitet – Stiftungen und Unternehmen, die uns
unterstützen. Dazu kamen ab und zu Preisgelder. Unsere direkte Zielgruppe waren Geflüchtete, benachteilige Migrant*innen und andere Personen mit schwieriger Bildungsgeschichte, die es sich im Regelfall nicht leisten können, einen Programmierkurs zu bezahlen. Wir haben uns also gefragt,
für wen unser Angebot sonst noch interessant sein könnte.
So
kamen wir auf Bildungseinrichtungen und Organisationen, die sowieso schon mit
unserer Zielgruppe arbeiten, für die es aber zu aufwändig ist, eigene Fortbildungskonzepte zu entwickeln und durchzuführen. Sie kamen somit als indirekte
zahlende Zielgruppe in Frage. 2019 haben wir den Schritt vom direkten
Trainingsanbieter zum “Train the Trainer”-Programm mit eigens entwickelter Plattform gewagt.
Wie genau habt ihr weitere, indirekte Zielgruppen identifiziert?
Farid
Bidardel: Zuerst
haben wir uns zusammen hingesetzt und überlegt: Wer profitiert eigentlich noch
von unserer Leistung, der Qualifikation von ressourcenschwachen Personen durch digitale Fähigkeiten? Wem nehmen wir damit Arbeit ab? Dann haben wir eine Liste gemacht.
Darauf standen unter anderem Unternehmen und Non-Profit-Organisationen. Mit
einigen von ihnen haben wir damals bereits kooperiert.
Danach
sind wird in die Recherche gegangen. Wir haben um die 50 Organisationen
angesprochen und uns einfach mal angehört, was ihre Bedarfe sind. Das Ergebnis
war, dass über 90 Prozent keine eigenen Softwareentwickler*innen im Team haben
und komplett auf Externe angewiesen waren. Sie konnten also nicht überprüfen,
ob die von ihnen angebotenen Trainings überhaupt gut sind.
So haben
wir gelernt, dass wir mit unserem Angebot ein Problem für eine zahlungsfähige
Zielgruppe lösen können. Aber immer mit dem Hintergedanken, dass unsere direkte
Zielgruppe davon profitieren soll. Im Grunde genommen wurde unsere direkte
Zielgruppe plötzlich zur indirekten und umgekehrt.
Ihr habt zusätzlich zum Verein eine GmbH gegründet. Habt ihr das getan, um alle Einnahmen über die GmbH abwickeln zu können?
Farid Bidardel: Nicht ganz. Die GmbH hat erstmal nichts mit dem Verein zu tun. Wir haben die GmbH ursprünglich mit ein paar Freunden gegründet, um Forschungen zum Thema künstliche Intelligenz ressourcenmäßig stemmen zu können. Schön ist natürlich, dass diese Erkenntnisse nun dem Verein zugute kommen.
Wie sah der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb im Verein aus?
Farid Bidardel: Einzelne Unternehmen kamen auf uns zu und wollten das Programmier-Training, das wir anbieten, ihren eigenen Mitarbeitenden oder auch Bewerber*innen zur Verfügung stellen. Wir haben bei solchen Kooperationen immer darauf geachtet, dass unsere Zielgruppe dabei nicht vernachlässigt wird.
Existieren der Verein CodeDoor und die GmbH komplett unabhängig voneinander?
Farid Bidardel: Ja genau, der Verein und die GmbH stehen in keinem Rechtsverhältnis zueinander.
Was waren die größten Herausforderungen auf dem Weg zu einem tragfähigen Geschäftsmodell?
Farid
Bidardel: Die
erste Herausforderung war, das Team mitzunehmen. Das war ein gemeinsamer Prozess.
Wir mussten erklären, warum wir jetzt diesen Schritt gehen und unsere
Mitarbeitenden den direkten Bezug zur Zielgruppe verlieren. Nach und nach änderte sich auch die
Zusammensetzung des Teams. Wir brauchten mehr Menschen im IT-Team und weniger
Kontaktpersonen für unsere Lernende. Außerdem mussten
wir unsere Förder*innen abholen und ihnen erklären, was wir warum jetzt anders
machen.
Eine weitere Herausforderung war, dass sich die Zusammenarbeit mit den Organisationen
geändert hat. Überspitzt gesagt haben wir aus unseren Partnerinnen Kunden
gemacht. Vorher haben die unsere Zielgruppe zu uns geschickt, jetzt läuft es
umgekehrt: Wir bringen unsere Plattform zu den Organisationen, damit sie die
Trainings selbst anbieten können.
Hat sich euer neues Geschäftsmodell auf die direkte Zielgruppe ausgewirkt?
Farid Bidardel: Ja, und zwar positiv. Vorher wurde eine Person von einer Non-Profit wie zum Beispiel der Caritas zu uns geschickt und hatte somit zwei unterschiedliche Ansprechpartner*innen. Das hat die Zielgruppe teilweise verwirrt und manche Teilnehmenden wussten nicht, mit welchen Themen sie zu wem gehen sollen. Jetzt können sie die Qualifizierung dort absolvieren, wo sie sich sowieso schon wohl fühlen: direkt bei der Non-Profit.
Ihr erreicht mit eurem neuen Geschäftsmodell mehr Menschen und erzielt so mehr Wirkung. War Skalierung von Anfang an ein Thema für euch?
Farid Bidardel: Auf jeden Fall. Anfangs konnten wir mit viel mehr Mitarbeiter*innen viel weniger Menschen erreichen. Mit der Plattform, die wir entwickelt haben, können Organisationen vor Ort jetzt mehr als ein Zehnfaches an Teilnehmenden erreichen.
Wie geht es jetzt weiter? Was ist als nächstes geplant?
Farid Bidardel: Viele im Team haben einen Startup-Hintergrund – deshalb überlegen wir ständig, was wir als nächstes machen können. Momentan entwickeln wir einen Marktplatz, auf dem sich Organisationen untereinander vernetzen und Inhalte austauschen können. Auch diese Idee ist durch Gespräche mit den Organisationen selbst entstanden. Wir haben das erst mal mit einem einfachen Prototyp ausprobiert und es hat so gut funktioniert, dass wir es nun weiter ausbauen.
Welche Tipps für mehr finanzielle Unabhängigkeit möchtest du anderen noch mitgeben?
Farid Bidardel: Ich finde es unglaublich wichtig, alle Stakeholder mit einzubeziehen. Es gibt nie nur eine Zielgruppe, sondern noch so viele andere Player, denen ebenfalls Arbeit abgenommen wird. Fragt euch ganz genau, welche Lücke ihr mit eurem Angebot schließt. Wenn ihr wisst, dass ihr damit jemandem ein Problem abnehmt, ist es viel einfacher, daraus ein Geschäftsmodell zu machen.
Ansonsten: Einfach machen und ausprobieren! Wir haben vorerst nicht viel Geld in die Hand genommen, um den Marktplatz zu bauen, sondern einfach bei den Organisationen angerufen und gefragt, ob sie mitmachen wollen. Wenn ein Prototyp gut läuft, kann man ihn weiter ausbauen.