Interview mit Josef Wieland, Professor für Institutional Economics & Transcultural Leadership an der ZU Friedrichshafen
Die Diskussion um eine moralische Neuorientierungen der
Wirtschaft ist im Gange. Welches sind Ihrer Meinung nach die 2-3 stärksten
Argumente, die Social Entrepreneurs und gemeinnützige Organisationen zur
Debatte beisteuern können?
Josef Wieland: Die moderne Ökonomie verengt ihre Zielfunktion nicht auf den
Shareholder Value. Es geht um Shared Value Creation, also um Wertschöpfung für
alle beteiligten gesellschaftlichen Stakeholder. Das ist das genuine
Kompetenzfeld von Social Entrepreneurs und gemeinnützigen Organisationen.
Moral und Ethik sind abstrakte Begriffe. Wie lebe ich
das im Alltag, der häufig von Termindruck, knappen Kassen und zu wenig
Personal bestimmt ist?
Josef Wieland: Das ist in der Tat eine zentrale Herausforderung! Aus
moralischen Prinzipien selbst ergibt sich in der Regel nicht, was sie in der
Praxis bedeuten. Das zu definieren, ist eine
Führungsaufgabe und muss in den vorhandenen Managementprozessen durch Werte-Management verankert werden.
Partnerschaften zwischen Unternehmen und Non-Profits
gelten Vielen als unmoralisch. Warum sollten Ihrer Ansicht nach
Non-Profits dennoch mit Unternehmen zusammenarbeiten? Wer profitiert da
von wem?
Josef Wieland: Ich denke, man sollte diese Zusammenarbeit so betreiben,
dass sich eine Win-win-Situation ergibt. Austausch von Wissen, gemeinsames Lernen,
Kooperation bei der Durchführung von Projekten – das sind Bereiche, in denen das
möglich ist.
Wann und wo würden Sie sagen: Unter diesen Umständen sollte eine Non-Profit nicht mit einem
Unternehmen zusammenarbeiten?
Josef Wieland: Wenn
man sich mit dem Produkt oder Service eines Unternehmens nicht identifizieren
kann, ist das sicherlich ein Grund. Der andere
sind Beschaffungs- oder Vertriebsprozesse, die mit den eigenen ethischen
Standards nicht kompatibel sind.
Unternehmen und Non-Profits folgen jeweils einer
eigenen Funktionslogik. Wie kann es gelingen, unterschiedliche Haltungen,
Erwartungen, Vorlieben übereinander zu bekommen, damit die Kooperation
auch ein Erfolg wird?
Josef Wieland: Erwartungsmanagement
auf der Basis einer gründlichen Analyse der wechselseitigen Interessen und
Werte ist dafür entscheidend.
Bei Kooperationen wird viel von Synergien gesprochen,
die durch die gemeinsame Arbeit gehoben werden können. Aber, ganz ehrlich:
Wurden tatsächlich jemals Synergien gehoben?
Josef Wieland: In
der Tat, manchmal wird etwas leichtfertig über Synergien geredet, wenn man
nicht so genau weiß, warum man kooperieren will. Es gilt, was ich gerade
erwähnte: Die Interessen, Erwartungen und komplementären Ressourcen der
angestrebten Kooperation müssen geklärt werden.
Stichwort Gründung: Was für ein Mindset muss ich
mitbringen, wenn ich ein modernes Sozialunternehmen gründen möchte?
Inwiefern unterscheidet sich das von demjenigen, der eine normale Non-Profit gründen möchte, mit der er einen sozialen Missstand behebt?
Josef Wieland: Es sollte klar sein, das es nicht um Charity sondern um
professionelles Wirtschaften für eine gesellschaftliche Zielvorstellung geht.
Wie begegne ich dem moralischen
Widerspruch zwischen “ich will helfen” und “ich muss Geld verdienen”?
Josef Wieland: Das ist ein möglicher Zielkonflikt zwischen zwei moralisch
akzeptablen Werten. Es scheint mir ja gerade das Ethos des Social Entrepreneurs
zu sein, dass ich gesellschaftliche
Wertvorstellungen und mein zu wählendes
Geschäftsmodel so miteinander verbinde, dass
sie sich wechselseitig stärken.
Prof. Dr. Josef Wieland
ist ein deutscher Wirtschaftsethiker und Direktor des Leadership Excellence Institute an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Er entwickelte das Konzept der Governance-Ethik.