Gerichte und Staatsanwaltschaften stellen manche Strafverfahren gegen Zahlung einer Geldbuße ein. Ein Teil dieser Geldauflagen fließt an gemeinnützige Organisationen. Der Wettbewerb bei diesem „Bußgeld-Fundraising“ ist nicht zu unterschätzen – trotzdem kann es eine Chance bieten, auch für kleinere Non-Profits.
Strafrichter*innen können in bestimmten Fällen ein Strafverfahren gegen Auflagen einstellen, Staatsanwält*innen können die Einstellung gegen Auflagen beantragen. Die Strafprozessordnung sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor. Als Auflagen werden neben Sozialstunden oder Verhaltenstrainings auch Geldstrafen verhängt.
Mit der Einstellung gegen Geldauflage ist der oder die Beschuldigte nicht verurteilt, muss aber einen bestimmten Betrag bezahlen. Dieser Betrag kann entweder in die Staatskasse fließen oder an eine gemeinnützige Organisation gehen.
- Richter*innen steht es grundsätzlich frei, die Non-Profit-Organisation auszuwählen, die von der Geldauflage profitiert. Das ist Bestandteil der richterlichen Unabhängigkeit und führt manchmal zu einer recht bunten Vergabepraxis.
- Nach den “Bundeseinheitlichen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren” haben die Staatsanwaltschaften “insbesondere Einrichtungen der Opferhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, der Straffälligen- und Bewährungshilfe, der Gesundheits- und Suchthilfe sowie Einrichtungen zur Förderung alternativer Sanktionen und zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen” zu berücksichtigen – allerdings nur “in angemessenem Umfang”.. Auch hier gibt es noch viel Spielraum.
Der oder die Strafverteidiger*in muss dem entsprechenden Beschluss zustimmen. Dies scheitert jedoch fast nie an der Auswahl der begünstigten gemeinnützigen Organisation.
Spendenlisten und Sammelfonds
An vielen Gerichten gibt es offizielle Listen gemeinnütziger Projekte, die für die Zuweisung von Geldauflagen in Frage kommen. Häufig werden diese zentral für den Gerichtsbezirk geführt, z.B. bei Land- oder Oberlandesgerichten. Die Listen sind für die Richter*innen zwar nicht bindend, trotzdem ist es für Non-Profit-Organisationen attraktiv, dort verzeichnet zu sein.
Um für eine gerechtere Verteilung zu sorgen, gibt es an einigen Orten Sammelfonds, so in Hamburg, im Saarland und in Berlin. In diese Fonds fließen die Auflagengelder, die dann von einer Kommission bzw. nach klaren Kriterien verteilt werden. Die Richter*innen sind allerdings nicht verpflichtet, die Zuweisung über die Fonds laufen zu lassen, sie können auch weiterhin direkt gemeinnützige Organisationen berücksichtigen.
Fundraising per Geldauflagenmarketing
Zuweisungen können für Non-Profits eine gute Fundraising-Methode darstellen, wenn Strafrichter*innen und Staatsanwält*innen sie auf dem Zettel haben. Bundesweit kommen aus eingestellten Strafverfahren jedes Jahr viele Millionen Euro zusammen – entsprechend energisch bemühen sich Organisationen und Projekte darum, ein Stück von diesem Kuchen abzubekommen.
Das sogenannte „Bußgeldmarketing“ ist längst ein Feld für eigene Berater*innen und Autor*innen, die dabei Erfolg durch Insidertipps versprechen. Aber auch in Eigenregie ist es möglich:
- Ein wichtiger erster Schritt ist die Aufnahme in die Bußgeldlisten und Geldauflagenregister der verschiedenen Gerichte und Staatsanwaltschaften. Dafür sind die Satzung und der Gemeinnützigkeitsbescheid des Finanzamts einzureichen. Informationen zu vielen dieser Listen findet man im Web. Oft gibt es dort auch Antragsformulare.
- Beispiele sind die hessische „Gemeinsame Liste“, die am Oberlandesgericht Frankfurt geführt wird und die brandenburgische Liste, die ebenfalls am dortigen OLG gepflegt wird. Weitere Listen findet man durch eine Suche im Web mit dem entsprechenden Bundesland oder Gerichtsbezirk als zusätzlichem Suchbegriff.
- Auch beim „Bußgeldmarketing“ oder „Geldauflagenmarketing“ sind „Bestandskund*innen“ kaum zu toppen: Richter*innen und Staatsanwält*innen bedenken regelmäßig die Organisationen, die sie bereits kennen. Kontaktpflege ist deshalb zentral, um Gelder abzubekommen.
- Das Mittel der Wahl: Non-Profits können Selbstdarstellungen und Profile an Gerichte und Staatsanwaltschaften verschicken. Darin sollten sie ihr Engagement und dessen Wirkung möglichst überzeugend darstellen.
- Gerade als kleineres Projekt könnt ihr euch gezielt an die Amtsgerichte eurer Region wenden. Diese führen manchmal eigene Listen. Während viele überregionale gemeinnützige Organisationen das Bußgeldfundraising flächendeckend betreiben, sind nur vergleichsweise wenige Non-Profits auf lokaler Ebene aktiv.
- Ganz klar hervorheben solltet ihr Aspekte eurer Arbeit oder die gemeinnützigen Zwecke, die einen inhaltlichen Bezug zu Strafverfahren haben. Beispiele sind Naturschutz bei Umweltdelikten, Tierschutz bei Tierquälerei, Opferhilfe, Unterstützung von Kindern oder der Schutz von Frauen bei entsprechenden Übergriffen, Suchthilfeprojekte bei Taten unter Drogen- oder Alkoholeinfluss etc.
- Verpflichtend ist ein direkter Zusammenhang zwischen Tatvorwurf und Zuweisung nicht. Richter*innen können Auflagengelder grundsätzlich auch einem Sport- oder Kulturverein zuweisen. Ein Fußballverein oder einen Theaterclub kann jedoch ebenfalls mit erfolgreicher Jugendarbeit oder der stabilisierenden Wirkung des Angebots für ein Stadtviertel oder eine Zielgruppe punkten.
- Nicht zuletzt kann es sich auszahlen, bestehende Kontakte zu aktivieren. Vielleicht kennt jemand aus eurem Team eine Person, die am Amtsgericht arbeitet, und kann auf eure Organisation hinweisen? Übertreiben sollte man es mit der direkten Ansprache jedoch nicht: Richter*innen und Staatsanwält*innen müssen mit Ärger rechnen, wenn sie Projekte aus ihrem persönlichen Umfeld bedenken, wie es beispielsweise in Bremen geschah.
Verwendungsnachweis
In der Regel gilt für gemeinnützige Organisationen eine Nachweispflicht über die korrekte Verwendung der erhaltenen Geldauflagen. Dazu wird ein jährlicher Rechenschaftsbericht oder Verwendungsnachweis mit entsprechenden Belegen fällig. Den damit verbundenen Verwaltungsaufwand solltet ihr nicht unterschätzen. Wer dabei schlampig arbeitet, riskiert die Streichung aus dem Sammelfonds oder der Spendenliste.
Bußgelder, die einer gemeinnützigen Körperschaft zugewiesen werden, fallen wie Spenden in den ideellen Bereich: Steuern fallen darauf keine an. Das hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bestätigt. Voraussetzung ist, dass die Beträge tatsächlich für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Eine Non-Profit, die Bußgelder zur Renovierung des Vereinslokals zweckentfremdet, muss mit einer Steuernachforderung rechnen.
Bußgeldfundraising ist nicht planbar, kann sich aber lohnen
An Bußgeldern aus Verfahrenseinstellungen teilzuhaben, ist eine gute Sache. Allerdings ist es nicht einfach, in den Genuss der Auflagengelder zu kommen: Die Konkurrenz ist groß, und allen Bemühungen zum Trotz ist die Verteilung oft noch immer reichlich undurchsichtig. Außerdem lässt sich der Erfolg bei dieser Art des Fundraisings kaum planen.
Trotzdem kann es sich lohnen, am „Auflagengeld-Marketing“ teilzunehmen, sich auf Bußgeld-Listen setzen zu lassen und Gerichte und Staatsanwaltschaften mit einer Darstellung der eigenen Arbeit zu versorgen. Wer Ziele und Wirkung des eigenen Projekts prägnant und mit nachvollziehbaren Belegen darstellt, liegt dabei weit vorn.
Link-Tipp: Die Spendengerichte-Datenbank
Die Praxis der Geldauflagen-Vergabe wird immer wieder zum Thema in den Medien, so zum Beispiel bei der FAZ, dem Tagesspiegel oder der Sächsischen Zeitung. Sehr ausführlich hat sich das gemeinnützige Journalismus-Projekt correctiv damit auseinandergesetzt. Neben einer laufenden Themen-Seite zu „Spendengerichten“ findet man dort auch eine umfangreiche Datenbank dazu, wer wo welche Gelder verteilt beziehungsweise erhalten hat. Die Daten umfassen die Jahre von 2007 bis 2023 und beziehen sich auf ganz Deutschland.