Ob e. V., gGmbH oder Genossenschaft: Jede gemeinnützige Organisation benötigt eine Satzung. Änderungen sind besonders knifflig, wenn sich der gemeinnützige Zweck und damit das Kernanliegen verändert.
Wir starten direkt mit einem Praxisbeispiel: Angenommen, ihr habt einen gemeinnützigen Verein, der bisher vor allem Konzerte und andere Kultur-Events veranstaltet hat. Nachdem mehrmals Musik- und Tanzgruppen von Geflüchteten aus Afrika und arabischen Ländern aufgetreten sind, rückt die Unterstützung dieser Menschen immer mehr in den Fokus der Vereinsarbeit.
Laut Satzung liegt der Vereinszweck jedoch in der “Förderung der Kultur durch kulturelle Veranstaltungen”. Von Beratung für und Aufklärungsarbeit über Geflüchtete steht dort nichts. Und das kann durchaus zum Problem werden: Passt das, was der Verein tatsächlich tut, nicht zum offiziellen, satzungsgemäßen Vereinszweck, ist die Gemeinnützigkeit akut in Gefahr. Wird sie vom Finanzamt aberkannt, fallen selbst auf Mitgliedereinnahmen und Spenden Steuern an.
Bleibt also nur, den Zweck in der Satzung zu ändern. Das ist jedoch mehr als eine Formalie. Dieser Beitrag erklärt,…
- …welche Regeln für eine Zweckänderung im eingetragenen Verein gelten,
- …was es mit der Zweckänderung bei einer gemeinnützigen Gesellschaft wie der gGmbH und bei gemeinnützigen Stiftungen auf sich hat,
- …worin die Ausnahmeregelung zu Unterstützungsaktionen für vom Krieg betroffene Ukrainer*innen besteht, wenn die Aktion vom gemeinnützigen Zweck nicht gedeckt wird.
Satzungsänderung und Zweckänderung
Eine Satzung benötigen nicht nur eingetragene Vereine, sondern auch gemeinnützige Unternehmen (wie eine gGmbH oder gUG) und gemeinnützige Stiftungen. Sie ist gewissermaßen die Verfassung einer Non-Profit: Die Satzung legt den Zweck fest und bestimmt verbindliche Regeln für Aktivitäten, die interne Verwaltung und die Beschlussfassung bzw. Geschäftsführung.
Rechtliche Mängel bei einer Satzungsänderung sorgen dafür, dass das Registergericht die Eintragung der Änderung verweigert oder das Finanzamt den Gemeinnützigkeitsbescheid widerruft. Betrifft die Satzungsänderung den Zweck der Non-Profit, ist die Prüfung besonders streng.
- Dabei steht nicht nur der Inhalt, sondern auch das korrekte Zustandekommen des Beschlusses auf dem Prüfstand.
- Entscheidend ist außerdem die Abgrenzung von Zweck- und einfachen Satzungsänderungen.
- Schließlich spielt die Rechtsform eine wichtige Rolle. Eine gemeinnützige Stiftung etwa kann ihren Zweck praktisch nie “einfach so” an die veränderten Interessen oder Prioritäten der Verantwortlichen anpassen.
Satzungs- und Zweckänderung im e. V.: Die Sache mit dem Quorum
Auch im Verein sind die Hürden für eine Änderung der Satzung bzw. des Zwecks relativ hoch. So etwas kann nicht mal eben auf der Jahresversammlung mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, und schon gar nicht durch eine Abstimmung des Vorstands. Vielmehr müssen die Mitglieder zustimmen, und zwar mit einem notwendigen “Quorum”. Darunter versteht man die Anzahl aller Wahlberechtigten. In § 33 Abs. 1 BGB heißt es zum Quorum wörtlich:
- “Zu einem Beschluss, der eine Änderung der Satzung enthält, ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.”
- “Zur Änderung des Zweckes des Vereins ist die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich; die Zustimmung der nicht erschienenen Mitglieder muss schriftlich erfolgen.”
Bereits bei einer einfachen Satzungsänderung müssen laut Gesetz also mindestens 75 Prozent derjenigen zustimmen, die bei der Mitgliederversammlung anwesend sind. Ein Beispiel dafür wäre die Erweiterung des Vereinsvorstands von drei auf fünf Leute. Daneben existieren weitere formelle Bedingungen. So muss die Einladung zur Mitgliederversammlung bereits auf die Satzungsänderung hinweisen.
Soll sich der Zweck des Vereins ändern, liegt die Hürde noch höher. In diesem Fall muss jedes einzelne Mitglied “Ja” sagen – entweder direkt bei der Versammlung oder durch eine schriftliche Erklärung. Einzelne Quertreiber*innen oder nicht erreichbare Mitglieder können die Änderung also leicht verhindern. Deshalb nehmen in der Praxis meist nur kleinere Vereine mit guter Atmosphäre diese Hürde.
Ausnahme: Die Satzung legt ein anderes Quorum fest
Allerdings gibt es noch eine andere Möglichkeit: Die Satzung selbst kann Vorgaben für die Mindestzustimmung zu Änderung festlegen, und diese können vom gesetzlichen Quorum abweichen. Deshalb ist für geplante Zweck- und Satzungsänderungen in der Praxis der Wortlaut der aktuellen Satzung wichtig.
Dort kann beispielsweise stehen: “Ein Beschluss zur Satzungsänderung bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der in der Mitgliederversammlung vertretenen Stimmen. Ein Beschluss zur Änderung des Zwecks bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln der in der Mitgliederversammlung vertretenen Stimmen.”
Der Haken an der Sache: Bei der Abstimmung, mit der eine solche Regelung in der Satzung verankert wird, muss das gesetzliche Quorum erfüllt werden. Zumindest einmal müssen also doch alle Mitglieder ihr Ja geben, erst danach gilt das niedrigere Quorum.
Nicht jede Umformulierung des Zwecks ist eine Zweckänderung
Ein zweiter wichtiger Praxisaspekt betrifft die Abgrenzung von Satzungs- und Zweckänderungen. Die Gerichte haben in vielen Fällen das Umformulieren des Zwecks als einfache Satzungsänderung akzeptiert, die keine Einstimmigkeit aller Mitglieder erfordert. Drei Beispiele aus den letzten Jahren:
- Der Förderverein Haus Bürgel e.V. kümmert sich um ein ehemaliges Römerkastell bei Mettmann. Er wollte seinen Satzungszweck erweitern. Die Pflege des antiken Baudenkmals sollte nun “im Interesse des Naturschutzes” erfolgen, die “Förderung von Kunst, Kultur sowie der Jugendhilfe” sollte als Zweck hinzu kommen, und zur Zweckerreichung sollte die Mittelvergabe an eine vereinseigene gGmbH erfolgen. Die Mitgliederversammlung nahm den Antrag einstimmig an. Das Registergericht verweigerte jedoch die Eintragung, weil die schriftliche Zustimmung der nicht anwesenden Mitglieder fehlte. Dagegen ging der Verein erfolgreich vor Gericht. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, dass diese Änderungen nicht die “oberste Leitidee” bzw. den “Kernzweck” des Vereins betrafen. Und für eine einfache Satzungsänderung genügte der Versammlungsbeschluss (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.02.2020 – I-3 Wx 196/19).
- Der Förderverein eines Heims für Menschen mit Behinderungen wollte den Vereinszweck von der Förderung “durch ideelle und finanzielle Mithilfe” auf nur noch finanzielle Mithilfe verengen. Der Antrag wurde auch hier von der Mitgliederversammlung einstimmig angenommen, vom Registergericht jedoch abgelehnt, weil die nicht anwesenden Mitglieder nicht zugestimmt hatten. Auch in diesem Fall sah das Oberlandegericht Düsseldorf keinen Grund, die Eintragung zu verweigern. Eine ideelle Mithilfe bei der Förderung sei ja auch in Zukunft nicht ausgeschlossen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.02.2020 – 3 Wx 214/19).
- Ein Verein aus dem Raum Nürnberg hatte laut Satzung den Zweck, den “Schieß- und Bogensport” zu fördern. Da die Mitglieder auch aufgrund der negativen öffentlichen Wahrnehmung von Waffen mittlerweile statt Luftgewehrschießen nur noch Bogenschießen praktizierten, beschloss die Mitgliederversammlung eine Änderung des Zwecks hin zur “Ausübung des Bogensports”. Auch in diesem Fall wurde die Eintragung verweigert, weil nicht von jedem Mitglied die schriftliche Einwilligung vorlag. Und auch hier entschied das Oberlandesgericht, dass dies nicht erforderlich war: Nicht jede Änderung des “den Vereinszweck regelnden Satzungswortlauts” müsse einstimmig erfolgen. Das sei nur notwendig, wenn sich der “Charakter und damit die grundsätzliche Zweckrichtung des Vereins” ändere. Dies sei aber nicht der Fall, denn das sportliche Schießen bleibe wesentlicher Vereinszweck (OLG Nürnberg, OLG Nürnberg, 17.11.2015 – 12 W 2249/15).
Bei einer geplanten Zweckänderung, so will es das Vereinsrecht, ist der Minderheitenschutz wichtig. Eine Minderheit im Verein soll nicht plötzlich erleben müssen, dass die Beiträge, die Spenden, die Zeit und die Mühe, die sie in den Verein gesteckt haben, nun einem ganz anderen Ziel zugutekommen, den sie vielleicht nicht unterstützen.
Die Zweckänderung in unserem Beispielverein
Der bisherige Kulturverein (siehe Praxisbeispiel oben), der nun Geflüchtete unterstützen will, sollte als ersten Schritt die eigene Satzung studieren. Wie ist der Zweck genau gefasst? Das entscheidet mit darüber, ob es sich um eine Zweckänderung oder eine bloße Satzungsänderung handelt. Und steht dort etwas zum Quorum für Zweckänderungen? Findet sich keine solche Bestimmung, gilt das BGB. Dann müssen alle Vereinsmitglieder in eine Zweckänderung einwilligen.
Aus den genannten Gerichtsentscheidungen sollte ein Kulturverein, der sich in Zukunft der Geflüchtetenhilfe widmen will, jedenfalls nicht allzu viel Hoffnung schöpfen. Schließlich geht es hier um eine klare Neuausrichtung des Vereinscharakters und damit wohl um mehr als eine bloße Satzungsänderung.
Unser Beispiel-Verein wird vermutlich interne Überzeugungsarbeit bei möglichen Skeptiker*innen leisten müssen – es sei denn, seine Satzung enthält bereits eine abgesenkte Quorum-Hürde. Im schlimmsten Fall bleibt nur die Option, dass die Befürworter*innen der Änderung beim alten Verein austreten und das Flüchtlingshilfeprojekt durch eine Neugründung ins Leben rufen.
Wichtig: Einfach mit der alten Satzung die neuen Aktivitäten zu verfolgen, wäre jedenfalls keine gute Idee. In Zweifelsfällen sollte man auf Rechtsberatung setzen. Vielleicht gibt es eine befreundete Anwältin, die helfen kann?
Zweckänderung bei einer gGmbH oder einer gemeinnützigen Stiftung
- Eine gemeinnützige Kapitalgesellschaft kann durch einstimmigen Beschluss aller Gesellschafter*innen den satzungsgemäßen Zweck ändern. Auch hier haben Einzelne die Möglichkeit, durch ein Nein die Änderung auszubremsen. Wenn allerdings die Gesellschaftssatzung andere Regeln bzw. ein anderes Quorum vorschreibt, hat dies grundsätzlich Vorrang. Auch bei einer gGmbH stellt sich die Frage nach der genauen Eingrenzung des Zwecks, in diesem Fall in Abgrenzung zum Unternehmensgegenstand der Gesellschaft. Letzteren können die Gesellschafter bereits mit einer Drei-Viertel-Mehrheit ändern.
- Bei Stiftungen ist es komplizierter. Hier müssen Satzungsänderungen in der Stiftungsordnung vorgesehen sein, damit die Satzung vom Stiftungsvorstand bzw. der Stifterin oder dem Stifter geändert werden kann. Selbst dann entscheidet das Stiftungsrecht im jeweiligen Bundesland, ob dies möglich ist. Meist muss die für die Stiftung zuständige Behörde zumindest zustimmen. Zweckänderungen sind praktisch ausgeschlossen. Einzige Ausnahme: § 87 BGB sieht Satzungs- und Zweckänderungen durch die Behörde vor, wenn “die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden” ist oder das Gemeinwohl gefährdet. Sie muss sich dabei jedoch am Stifter*innen-Willen orientieren.
Aktuelle Sonderregel: Unterstützung für Ukrainer*innen auch ohne entsprechenden gemeinnützigen Zweck
Aktuell kommen viele Non-Profits an die Grenzen ihres gemeinnützigen Zwecks, wenn sie vor dem Krieg in der Ukraine Geflüchtete unterstützten wollen. Um das ohne Zweckänderung zu ermöglichen, hat das Bundesfinanzministerium im März 2022 einen steuerrechtlichen “Billigkeitserlass” für Non-Profits beschlossen.
Noch bis Ende des Jahres können auch ein Musikverein, ein Sportverein, eine gGmbH zum Betrieb von Kitas oder jede andere gemeinnützige Organisation Geld für Menschen in der Ukraine bzw. für Kriegsflüchtlinge von dort sammeln. Die Gemeinnützigkeit ist selbst dann nicht in Gefahr, wenn ihr Zweck auf “Förderung der Musik” oder “Betrieb eines Kindergartens” lautet und damit die Spendenaktion nicht abdeckt. Die Details der Sonderregelung stehen im BMF-Schreiben vom 17. März 2022. Einen Überblick über die Hilfsmöglichkeiten gibt es hier.