Für die finanzielle Stabilität wird in gemeinnützigen Vereinen auf Hochtouren Fundraising betrieben. Dass Einnahmen im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (WGB) als zusätzliche Finanzierungsquelle erlaubt sind, ist dabei vielen nicht bekannt. Wir haben uns mit Über den Tellerrand e.V., Stitch by Stitch e.V. und den Stadtbienen unterhalten, die bereits wirtschaftlich mitmischen und ihre wertvollen Erfahrungen für euch zusammengefasst.
Tipp 1: Checkt die Rechtslage – Zweckbetrieb oder steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb?
Bevor ihr für wirtschaftliche Tätigkeiten in eurem Verein die Ausgründung einer GbR oder GmbH in Erwägung zieht, nutzt die Möglichkeiten, die ihr als Verein habt: Ihr könnt als Verein gleichzeitig Geld verdienen und weiterhin Zuwendungen annehmen.
Wusstet ihr, dass ihr eure wirtschaftlichen Tätigkeiten in zwei verschiedenen Bereichen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ansiedeln könnt? Die Frage aller Fragen lautet: Fällt euer Angebot in den Zweckbetrieb oder in den steuerpflichtigen Teil des WGB? Ein Blick in eure Satzung kann bei dieser Frage helfen: Dort ist euer gemeinnütziger Zweck genau beschrieben.
Ein Beispiel aus der Praxis:
Der Zweck der Stadtbienen ist der Schutz der Honigbienen. Ein Angebot, das eindeutig auf diesen Zweck abzielt sind beispielsweise Kurse, bei denen man ökologisches Imkern lernt. Diese Kurse dürfen im steuerbegünstigten Zweckbetrieb angesiedelt werden. Verkauft die Organisation aber Kugelschreiber oder Turnschuhe, zielt das nicht unmittelbar auf den Zweck ab. Die Angebote gehören dann in den normal steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
Ausführlichere Infos zur Unterscheidung zwischen Zweckbetrieb und steuerpflichtigem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb findet ihr hier. Übrigens: Die Gewinne, die ihr erzielt, dürft ihr als Verein natürlich nicht im klassischen wirtschaftlichen Sinne ausschütten, sondern lediglich in eure Arbeit reinvestieren. Dazu gehören auch eure Gehälter und Overhead-Kosten – ihr arbeitet ja schließlich für den gemeinnützigen Zweck.
Tipp 2: Holt euch professionelle Beratung – Steuerberater*innen sind wichtig!
Als Verein ist es sinnvoll, eure Angebote im Zweckbetrieb anzusiedeln. Hier vermitteln eure Produkte oder Services nicht nur euren ideellen Wert, sondern sind obendrein noch steuerbegünstigt. Aber Vorsicht: Ob euer Angebot in den Zweckbetrieb oder den steuerpflichtigen WGB fällt, ist nicht immer so eindeutig wie im oben beschriebenen Beispiel.
Ein Beispiel aus der Praxis:
Der Zweck von Über den Tellerrand e.V. ist es, Begegnungsräume für Menschen mit und ohne Fluchterfahrung zu schaffen, um kulturelle Vorurteile abzubauen. Der Verein bietet Kochkurse und Caterings an, bei beiden Formaten werden die gleichen Rezepte von Menschen mit Fluchterfahrung zubereitet. Die Kochkurse dürfen vereinsrechtlich im Zweckbetrieb angesiedelt werden, denn Personen mit und ohne Fluchterfahrung kochen gemeinsam und lernen sich dabei kennen. Die Caterings hingegen gehören in den steuerpflichtigen WGB, da das Essen hier lediglich auf einem Buffet abgestellt wird. Die persönliche Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Fluchterfahrung fehlt – und der Zweck wird damit nicht erfüllt.
Wir legen euch deshalb ans Herz, euch vor der Implementierung von Angeboten im WGB von einer Steuerberatung informieren zu lassen. Viele Steuerbüros sind auf Vereinsrecht spezialisiert, und mithilfe dieser Profis könnt ihr euch eine Menge Hirnschmalz und Ärger mit dem Finanzamt sparen.
Tipp 3: Traut euch was bei der Produktentwicklung!
Um im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb aktiv zu werden, stellt sich natürlich zunächst die Frage nach dem Produkt, das ihr verkaufen wollt. Nicht jede Form der Vereinsarbeit legt ein bestimmtes Verkaufsprodukt unmittelbar nahe, doch lasst die Chance nicht ungenutzt! Denn mit der Entwicklung neuer Angebote könnt ihr nochmal so richtig kreativ werden und im besten Fall sogar neue Zielgruppen erreichen. Und was gibt es besseres als Produkte zu entwickeln, die bei den Leuten ankommen und gleichzeitig Gutes bewirken?
Denkt mal darüber nach:
- Könnt ihr eure Arbeit zum Beispiel in einen bestimmten Service wie ein Bildungsangebot, ein Ausbildungsangebot oder einen Kreativkurs packen?
- Könnt ihr eure Arbeit oder Vision in Form eines Buches vermitteln?
- Gibt es Produkte, die mit eurer Arbeit im Zusammenhang stehen? Ihr könnt sie mit eurem Logo versehen und so euren Namen und eure Vision in die Welt tragen.
Beispiele aus der Praxis:
Zur Förderung von Frauen mit Fluchterfahrung und deren Integration in den deutschen Arbeitsmarkt bietet Stich by Stich e.V. Kooperationen für Modelabels an, die ihre Kollektionen von Näherinnen mit Fluchterfahrung professionell anfertigen lassen können. Über den Tellerrand e.V. bietet passend zum Thema gemeinsam Kochen ein Kochbuch an, in dem sich Menschen mit Fluchterfahrung mit ihrer persönlichen Geschichte und ihrem Lieblingsrezept vorstellen. Ein zweites Kochbuch zeigt Begegnungen zwischen Menschen mit Fluchterfahrung und Starköch*innen, die gemeinsam ein Mehrgangmenü mit ihren Lieblingszutaten kreieren und sich dabei persönlich austauschen.
Zeigt euren Unternehmer*innengeist, seid mutig und probiert mal was aus! Und Dinge, die nicht so gut laufen, bringen ja bekanntlich Ideen für noch bessere Produkte. Euer Produkt muss nicht von Anfang an perfekt sein – findet heraus, was für euch gut funktioniert. Und denkt daran: Das beste Match für euer Social Business besteht zwischen eurem Produkt und dem Zweckbetrieb. Das heißt, das Produkt sollte im besten Fall zu eurer Vision passen.
Bevor ihr jedoch viel Geld in die Hand nehmt, lasst euch auch hier gut beraten. Innerhalb des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs solltet ihr kein finanzielles Risiko eingehen. Und wenn ihr auf Zwang wirtschaftlich arbeitet, lauft ihr Gefahr, den eigentlichen Zweck eures Vereins zu vernachlässigen.
Tipp 4: Vermarktet eure Produkte richtig!
Nur keine Scheu – ihr könnt mit euren Produkten auf dem Markt mitmischen! Dafür solltet ihr nach außen hin kommunizieren, was ihr mit eurer Arbeit bewirkt und warum der Kauf eures Produktes dabei hilft, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
- Nutzt hierfür die herkömmlichen Kanäle eurer Öffentlichkeitsarbeit wie Social-Media oder ganz klassisch euren E-Mail-Verteiler und Newsletter
- Sucht euch für schöne Designs oder besondere Kampagnen ehrenamtliche Hilfe in eurer Community
- Schaltet Werbung im großen Stil! Mit Google Ad Grants könnt ihr das sogar mit einem monatlichen kostenlosen Budget von 10.000 Dollar tun
Ein Beispiel aus der Praxis:
Für die Designs der Postkarten und Jutebeutel arbeitet Über den Tellerrand e.V. mit Designstudierenden zusammen, die Lust haben, sich ehrenamtlich zu engagieren. Die Gruppe nennt sich „Creatives“ und hat sich neben schönen Designs auch lustige Wortspiele wie FaLOVEl, Rice, Rice Baby und #makethewordabetterplate ausgedacht.
Tipp 5: Lasst euch nicht verunsichern – Eure Gemeinnützigkeit und der WGB sind ein gutes Match!
Neben allen wirtschaftlichen Tätigkeiten dürft ihr den eigentlichen Zweck eurer Arbeit natürlich nicht aus den Augen verlieren. Denkt aber immer daran: Der ideelle Bereich und der WGB sollen in keiner Konkurrenz zueinander stehen. Nutzt die Produkte im WGB, um eure kostenlosen Angebote und Maßnahmen im ideellen Bereich sinnvoll zu ergänzen und/oder zu erweitern.
Und keine Angst: Wenn ihr einen WGB bespielt, bedeutet das nicht, dass ihr deshalb weniger Förderungen bekommt. Tätigkeiten innerhalb des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs können in der Öffentlichkeit demonstrieren, was euren Vereinszweck so besonders macht und damit positiv auf die Förderwilligkeit euer potenziellen Geldgeber*innen einwirken. Außerdem kommt ihr durch breiter aufgestellte Finanzeinnahmen resilienter durch Krisen.