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Gemeinsam mehr bewirken – Darum geht’s
Lektion 8 von 11

[00:00:01.690] – Jacob Rohm, PHINEO gAG

Sobald es eine übergeordnete Vision für Veränderungen gibt, stellt sich natürlich die Frage, wie ich diese erreichen kann. Sprich: Welche Hebel habe ich als Akteur in der Hand, um Veränderungen hervorzurufen oder zu verstärken? Diese Hebel nennen wir auch Handlungsansätze. Häufig kann man eine Vision auf ganz unterschiedlichen Wegen erreichen. Und dann stellt sich die Frage für euch, was ist wohl der sicherste Weg oder der schnellste Weg hin zu eurer Veränderung? In anderen Worten, welchen Hebel haltet ihr für den wirksamsten?

[00:00:37.750] – Nina Hirsens, PHINEO gAG

Mögliche Handlungsansätze lassen sich grob in fünf Arten unterteilen: Produkte und Dienstleistungen, Fähigkeitenaufbau, Wissensaufbau und -weitergabe, Menschen mobilisieren und Verhalten ändern und Advocacy für den guten Zweck. Mach dir keine Sorgen, es geht hier nicht darum, fünf Ansätze auswendig zu lernen, sondern eher darum, zu verstehen, dass es vielfältige Herangehensweisen gibt. Hoffentlich entdeckst du dabei auch ein paar neue Wege, die du bisher noch nicht bedacht hast. Wir gehen die fünf Arten mal an einem Beispiel zum Thema Jugendarbeitslosigkeit durch.

[00:01:10.570] – Jacob Rohm, PHINEO gAG

Erstens: Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Ihr könnt ganz konkrete Produkte und Dienstleistungen entwickeln und für eure Zielgruppe anbieten. Häufig arbeitet ihr dabei direkt mit der Zielgruppe an der Verbesserung ihrer Fähigkeiten und ihrer Situation, zum Beispiel in Bewerbungstraining mit Jugendlichen. Zweitens: Fähigkeiten aufbauen. Ihr könnt auch Organisationen und Personen dabei unterstützen, Kompetenzen und Fähigkeiten zu entwickeln und zu stärken. Kompetenzen, die ihnen ermöglichen, die erwünschte Vision zu erzielen. Ein Beispiel wären hier die Lehrkräfte, die ihr fortbildet, damit sie mit einer passenden Berufsorientierung ihre Jugendlichen unterstützen können.

[00:01:54.720] – Jacob Rohm, PHINEO gAG

Drittens: Wissen aufbauen und verbreiten. Um eine Vision zu erreichen, könnt ihr auch dafür sorgen, dass Wissen über ein Problem und mögliche Handlungsansätze entsteht und verbreitet wird. Das geht beispielsweise über Publikationen wie eine Studie oder ein Praxisleitfaden und begleitende Veranstaltungen. Es beginnt damit, erst einmal Daten zu sammeln und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Ein Beispiel wäre eine Studie über die Ursachen von Ausbildungsabbrüchen und mögliche Erfolgsfaktoren am Übergang von der Schule in den Beruf. So eine Studie kann auch eine sehr gute Grundlage sein, um öffentlich eine Welle zu machen und damit auch Handlungsdruck zu erzeugen.

[00:02:36.970] – Jacob Rohm, PHINEO gAG

Und damit kommen wir zum vierten Hebel: Menschen mobilisieren und Verhalten ändern. Ihr könnt auch ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit schaffen und so andere dazu bewegen, für eure Visionen aktiv zu werden, z.B. mit einer Online-Kampagne, um Berufsabschlüsse gegenüber Studienabschlüsse aufzuwerten. Oder mit einer Serie von Fachveranstaltungen, um Personaler in Unternehmen von potenzialbasierten Einstellungsverfahren zu überzeugen. Und fünftens: Advocacy für den guten Zweck. Ihr könnt auch ganz gezielt Entscheidungsträgerinnen und -trägern und Entscheidungsprozesse für den guten Zweck beeinflussen. Das geht zum Beispiel, indem ihr Unterstützung anbietet bei Änderungen von Gesetzen, Regeln und Vorschriften oder bei der Einführung von Branchenstandards. Konkret könnt ihr das machen, indem ihr Lobbying-Gespräche im Hintergrund führt und diese mit öffentlichen Veranstaltungen und Publikationen unterstützt. Ein Beispiel wäre, sich für eine Gesetzesänderung einzusetzen, die die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen vereinfacht.

[00:03:42.560] – Nina Hirsens, PHINEO gAG

All diese Handlungsansätze können dabei helfen, eine Veränderung herbeizuführen. Und sie sind nicht exklusiv zu verstehen. Du kannst also durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass du verschiedene nutzen möchtest oder sogar, dass alle diese Hebel wichtig sind. Häufig fokussieren wir direkt erst einmal auf Produkte und Dienstleistungen, wenn wir helfen wollen. Es lohnt sich aber dennoch, den Blick zu weiten, insbesondere im Kontext von Gemeinsam Wirken. Wichtig ist noch zu sagen, dass insbesondere der Hebel Produkte und Dienstleistungen eher auf direkte Wirkung und die anderen Hebel eher auf indirekte Wirkung abzielen.

[00:04:14.900] – Jacob Rohm, PHINEO gAG

Die fünf Handlungsansätze bieten viel Spielraum. Deshalb hilft es sie für mich zu konkretisieren, z.B. mit der Frage, bei wem ich eigentlich etwas verändern möchte, direkt und indirekt. Viele der Ansätze lassen sich auf allen drei Ebenen des Gemeinsamen Wirkens anwenden. Auf der Ebene der Zielgruppe und ihres Umfeldes, auf der Ebene der Akteure und auf der Ebene der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Ein gutes Beispiel ist der Handlungsansatz „Fähigkeiten aufbauen“. Denn ich kann verschiedene Gruppen dabei unterstützen, ihre Fähigkeiten aufzubauen.

[00:04:48.830] – Jacob Rohm, PHINEO gAG

Meine Zielgruppen, die Akteure, die sie unterstützen, und ich kann die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so ändern, dass sie den Aufbau von Fähigkeiten stärker unterstützen. Überlegt euch also am besten, bei wem und mit wem ihr etwas bewirken wollt.

[00:05:06.480] – Martin Herrndorf, AGORA Köln e. V., Tag des guten Lebens

Auf der persönlichen Ebene haben wir z.B. einen Beteiligungstypus, das sind Menschen, die neu in einen Stadtteil gezogen sind, oder sogar neu in die Stadt gezogen sind. Weil ich natürlich A mehr Zeit habe und B einen Eigennutzen habe, mich an so einem Projekt zu beteiligen. Weil ich Menschen kennenlernen möchte, weil ich noch keinen großen Freundeskreis habe, sondern ich bin vielleicht gerade in die Stadt gekommen und suche auch Anschluss. Und diese Eigenmotivationen der Leute, die können ganz unterschiedlich sein.

[00:05:34.230] – Martin Herrndorf, AGORA Köln e. V., Tag des guten Lebens

Das kann jemand sein, der sich seit 40 Jahren politisch beteiligt und sucht eine neue Plattform, wo vielleicht auch jüngere Leute neue Ideen voranbringen. Das kann, wie gesagt, jemand sein, der in einen neuen Stadtteil gezogen ist. Das kann jemand sein, der gemeinsam gärtnern als Visionen, hat aber Probleme an andere Leute dafür zu motivieren. Das heißt, er hat vielleicht das Technische, das Gärtnerische, aber noch nicht das Netzwerk. Das sind unterschiedliche Eigenmotivationen und die gibt’s bei Menschen, die gibt’s aber auch bei Organisationen und die muss ich verstehen und schauen, wie ich die adressiere.

Die verschiedenen Handlungsansätze im Überblick:

  • Produkte und Dienstleistungen, z.B. Bewerbungstrainings für Jugendliche im Übergang Schule-Beruf
  • Fähigkeitenaufbau, z.B. Lehrer*innenfortbildungen, um den Jugendlichen eine bessere Berufsorientierung bieten zu können
  • Wissensaufbau und -weitergabe, z.B. eine Studie zur Ursache von Ausbildungsabbrüchen
  • Mobilisieren und Verhalten ändern, z.B. eine Plakatkampagne mit dem Ziel, vermeintlich schlechte Schulabschlüsse zu entstigmatisieren
  • Advocacy, z.B. der Einsatz für die Anpassung von Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse


Wen benötige ich, um meine Handlungsansätze wirksam umzusetzen? 

Alle fünf Handlungsansätze kannst du mit deiner Organisation ganz alleine verfolgen. Wenn du dir sie allerdings noch einmal genau ansiehst, werden die meisten von ihnen wirksamer, wenn man sie gemeinsam angeht. Deine Studie über unbewusste Biases in der Bewerberauswahl stellt z.B. einen größeren Hebel dar, wenn sie auf Daten vieler Unternehmen basiert und andere Akteur*innen sie gemeinsam mit dir in der öffentlichen Diskussion platzieren, als wenn du sie allein angehst. Darum verstehen wir die Vernetzung im Allgemeinen nicht als Selbstzweck. Sie dient dazu, Handlungsansätze wirksamer umzusetzen. Nachdem du dir überlegt hast, welche Ansätze für euch relevant sind, kommst du also zu der Frage, wen es einzubinden gilt, um das volle Wirkungspotenzial zu nutzen.  

Hier ist die Frage:
Was kannst du beziehungsweise was kann deine Organisation selbst bewältigen und wo benötigt ihr andere Kompetenzen oder schlichtweg mehr WoManpower?

Überlege dir dazu, welche Kompetenzen, Ressourcen oder Kontakte hilfreich wären für die Ansätze, die gemeinsam gestaltet werden sollen. Mit diesen Aspekten im Hinterkopf kannst du dir die Akteurslandschaft genauer ansehen. 
Deine Analyse der Problemursachen und -auswirkungen aus dem Problembaum, hilft dir zu identifizieren, mit welchen eigenen Handlungsansätzen ihr bereits erfolgreich wirkt und bei welchen Ursachen es noch Leerstellen gibt, wo ihr gezielt nach Partner*innen Ausschau halten solltet.

Mit unseren Angeboten bauen wir Fähigkeiten auf. Aber Mobilisieren ist eine Kunst, die uns fehlt und die wir dringend bräuchten, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen!

Was sagen andere Nutzer*innen im Kurs?
„Wir machen Lernangebote für Schulabbrecher und Schulverweigerer. Wenn wir aktiv werden, ist schon so vieles schief gegangen. Maßnahmen für Kinder und Jugendliche müssen entlang ihrer Lebensstationen viel besser miteinander verzahnt werden. Dafür könnten wir unser Netzwerk einbringen. Für diese Mammutaufgabe braucht es aber noch viel mehr engagierte und erfahrene Akteur*innen. Ich denke, wir werden uns irgendwo zwischen Mobilisieren und Advocacy bewegen, da ja auch Vorschriften geändert werden müssten.“

Jetzt kennst du eventuelle Leerstellen in den Ansätzen und Angeboten und kannst gezielt nach Partner*innen suchen, die diese Lücken mit ihren Angeboten füllen.

In den nächsten drei Lektionen geht es nun darum, wie du systematisch und gezielt Verbündete für euer Gemeinsam Wirken – Vorhaben identifizieren und gewinnen kannst.