Viele gemeinnützige Organisationen bezahlen Werbeagenturen, damit diese durch Direktmarketing oder mit Ständen auf der Straße neue Mitglieder und Spender*innen erschließen. Das ist grundsätzlich völlig legal. Bezahlte Werbung im Übermaß kann jedoch die Gemeinnützigkeit gefährden. Daneben gibt es weitere rechtliche Fallen. Wir zeigen an vier einschlägigen Gerichtsentscheidungen, worum es geht.
Manche gemeinnützigen Initiativen setzen bei der Suche nach neuen Mitgliedern und Spender*innen auf professionelles Dialog- und Direktmarketing – zum Beispiel in Form personalisierter Hochglanz-Anschreiben oder Ständen in Fußgängerzonen. Wer es damit übertreibt, setzt sein Image aufs Spiel und schadet der eigenen Glaubwürdigkeit. Daneben lauert auch ein steuerrechtliches Problem. Werbe-Anstrengungen gemeinnütziger Organisationen in eigener Sache sind erlaubt. Nehmen sie überhand, droht der Verlust der Gemeinnützigkeit.
Ein wichtiger Teil des gemeinnützigen Status‘ ist die gesetzlich verankerte „Selbstlosigkeit“. Ein gemeinnütziger e. V., eine gGmbH oder eine gemeinnützige Stiftung sind dazu da, ihre Satzungsziele umzusetzen und so der Allgemeinheit zu dienen. Wenn sie stattdessen „in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke“ verfolgen, etwa Gewinne oder andere kommerzielle Vorteile, dann sind sie nicht selbstlos im Sinne des Gesetzes. Entscheidend ist dabei die gelebte Praxis – nicht, was auf dem Papier steht. Das gilt auch für die Werbung von Non-Profits.
Entwickelt sich die Akquise von zahlenden Mitgliedern oder Spender*innen zum Selbstzweck, um Einnahmen zu generieren, kann das Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkennen.
1. Gemeinnützigkeit gefährdet? Mitgliederwerbung gegen Provision
Allerdings ist ein entsprechender Bescheid des Finanzamts nicht unbedingt das letzte Wort. Eine Non-Profit kann sich wehren, wenn das Finanzamt ihr exzessive Werbung unterstellt. Das zeigt der Fall eines Tierschutz-Vereins, der eine Werbeagentur beauftragt hatte. Sie sollte neue Vereinsmitglieder anlocken. Bezahlt wurde sie aus den Beiträgen der Bestandsmitglieder, und zwar auf Provisionsbasis. Die Agentur erhielt zunächst einen Anteil von 29 Prozent und später 42 Prozent an den Beiträgen der geworbenen Neumitglieder.
Daraufhin verweigerte das Finanzamt dem Verein die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Der Fiskus sah in der bezahlten Werbung einen Verstoß gegen die erforderliche Selbstlosigkeit. Der Bundesfinanzhof (BFH), das oberste deutsche Gericht für Steuerrecht, sah den Fall weniger eindeutig. Er bekräftigte, dass eine gemeinnützige Organisation ihre Mittel auch für Aufgaben wie Mitgliederwerbung und Öffentlichkeitsarbeit verwenden kann, ohne dass dies einen Gemeinnützigkeitsverstoß darstellt. Eine feste Obergrenze dafür, wie viel Geld in Werbung investiert werden darf, gibt es nicht: Die Frage der Angemessenheit hängt der Rechtsprechung zufolge immer vom Einzelfall ab.
So spielte es bei dem Tierschutz-Verein eine Rolle, dass er noch in der Aufbauphase und die Mitgliederwerbung deshalb vordringlich war. Die Maßnahme war erfolgreich: Die Zahl der Abonnements der Vereinszeitung stieg innerhalb von zwei Jahren von 14.000 auf 166.000. Parallel sank der Anteil des Beitragsvolumens, das für Mitgliederwerbung ausgegeben wurde, von rund 20 Prozent auf etwa zehn Prozent.
Die Provisionsvereinbarung mit der Werbeagentur war für den BFH nicht per se sittenwidrig. Selbst bei einer Provision von 42 Prozent sei „zumindest die Hälfte des Beitragsaufkommens zur Förderung des Tierschutzes“ verblieben. Anders läge der Fall, wenn es personelle Überschneidungen zwischen dem Verein und der beauftragten Werbeagentur gegeben habe. Das sollte das Finanzgericht bei der Neuverhandlung prüfen.
Auch Mitgliederwerbung auf Provisionsbasis ist grundsätzlich in Ordnung. Eine allgemeine Obergrenze für die Werbekosten gemeinnütziger Non-Profits gibt es nicht. Entscheidend ist der Einzelfall.
2. Kein Anspruch auf Erlaubnis für Werbestand in der Innenstadt
Neben dem Gemeinnützigkeitsrecht kann bezahlte Mitgliederwerbung auch deshalb zu Problemen führen, weil sie als gewerbliche Aktivität zählt. Das zeigt ein Fall aus Freiburg. Ein Umweltschutzverein hatte eine Werbeagentur damit beauftragt, Fördermitglieder anzuwerben. Die Agentur war auf Betreiben des Vereins als GmbH gegründet worden und nur mit der Werbung für diesen e. V. befasst. Als sie in der Freiburger Fußgängerzone einen Stand aufstellen wollte, verweigerte die Stadtverwaltung der Agentur die Genehmigung. Für gewerbliche Nutzung gebe es dort keine Erlaubnis. Dem Verein selbst, der die Agentur beauftragt hatte, war früher die Genehmigung für einen Info-Stand erteilt worden.
Das Verwaltungsgericht Freiburg gab der Stadtverwaltung recht. Der Stand habe gewerblichen Charakter, da die GmbH für jedes neue Mitglied Provision erhalten sollte.
Kommerzielle Unternehmen, die Mitglieder für Non-Profits werben, können sich nicht auf deren gemeinnützigen Ziele berufen.
3. Spendenwerbung mit falschen Versprechungen: übertriebene Werbung, aber kein strafbarer Betrug
Selbst das Strafrecht kann bei bezahlter Mitgliederwerbung eine Rolle spielen. Eine gGmbH aus Berlin hatte der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft zufolge rund 1,6 Millionen Spender*innen getäuscht. In den Spendenbriefen ging es um die Förderung der Krebsforschung. Tatsächlich wurden insgesamt weniger als zwanzig Prozent der insgesamt über zwölf Millionen Euro an eingeworbenen Spendengeldern dafür verwendet.
Über 60 Prozent flossen an eine von der gGmbH beauftragte Fundraising-AG, zudem gab es Zahlungen an weitere Unternehmen und einen mit der AG verbundenen Anwalt. Die Staatsanwaltschaft sah darin Betrug sowie Untreue. Die gGmbH habe das Spendensammeln als Selbstzweck betrieben, um den Beteiligten eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen.
Das Landgericht Hildesheim lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens jedoch ab. Es gab keinen Strafprozess, weil die Richter keinen hinreichenden Tatverdacht sahen. Dem schloss sich auch das Oberlandesgericht Celle an. Begründung: Die Werbenden hätten nicht behauptet, dass die Beiträge in voller Höhe der Krebsforschung zugutekämen. Es gebe keinen Nachweis für eine geplante Mittelfehlverwendung oder überhöhte Abrechnungen.
Immerhin entzogen die Berliner Finanzbehörden der gGmbH den Status der Gemeinnützigkeit.
Die Schwelle zur Strafbarkeit der Verantwortlichen bei übertriebener Eigenwerbung ist hoch. Die Gemeinnützigkeit kann leichter aberkannt werden.
4. Irreführende Werbung verstößt gegen das Wettbewerbsrecht, auch bei Vereinen
Schließlich muss die Eigenwerbung auch das Wettbewerbsrecht beachten. Irreführende oder unfaire Werbeaussagen sind nicht erlaubt.
Ein Berliner Verein für „Implantat-Akupunktur“ hatte Ohr-Akupunktur als erfolgreiche Methode zur Behandlung des „Restless Legs Syndrome“, gegen Tinnitus, zur Gewichtsabnahme und zur Rauchentwöhnung beworben. Bei dieser Behandlungsform verbleiben spezielle Nadeln über mehrere Wochen im Ohr. Sie gehört zur Traditionellen Chinesischen Medizin und zählt zu den alternativen Heilmethoden. Ihre Wirksamkeit ist wissenschaftlich nicht bestätigt. Der Verein warb für Ausbildungen in dieser Behandlungsweise und vermittelte Vereinsmitglieder, die Ohr-Akupunkturen durchführten.
Er wurde für seine auf Ohr-Akupunktur bezogenen Heilversprechen von einem Wettbewerbsverein abgemahnt. Weil er die Unterlassungserklärung verweigerte, landete der Fall vor dem Landgericht Berlin. Die Richter bestätigten den Anspruch auf Unterlassung. Die Aussagen zur Heilwirkung waren nach Überzeugung des Landgerichts irreführend, „wissenschaftlich nicht belegbar und daher unzulässig“. Dass die Werbung von einem gemeinnützigen Vereins stammte, änderte nichts daran. Die Werbung sei eine „Wettbewerbshandlung“, da es um Ausbildungsverträge und Behandlungsverträge ging.
Wenn gemeinnützige Non-Profits Werbung für sich und ihre Leistungen machen, gilt in aller Regel das Wettbewerbsrecht. Bei irreführenden Aussagen und anderen Wettbewerbsverstößen drohen Abmahnungen.