Warum das Rad neu erfinden? Wenn ihr feststellt, dass ein Projekt funktioniert, ist dessen Verbreitung (Skalierung) ein nächster sinnvoller Schritt. So erreicht ihr mehr Menschen und erzielt eine größere gesellschaftliche Wirkung. Woran ihr erkennt, wann sich ein Projekt für die Skalierung eignet, welche Möglichkeiten es gibt und welche Rolle die Wirkungsanalyse dabei spielt, erfahrt ihr hier.
Tipp 1: Prüft die Kriterien für eine Skalierung
Nicht jedes Projekt eignet sich für die Skalierung. Bevor ein erfolgreiches Projekt auf andere Regionen übertragen wird, sollte daher geprüft werden, ob alle wichtigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Skalierung gegeben sind. Ein Blick auf drei Bereiche hilft bei der Klärung:
Der Bedarf
- Gibt es an anderen Orten einen Bedarf für das Projekt und die Bereitschaft, Zeit und Geld in das Projekt zu investieren?
Die Überzeugung und Motivation
- Habt ihr den Willen und die Erfahrung, euer Projekt zu verbreiten?
- Wenn ja, verfügt ihr über die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen für den Transfer?
Die Übertragbarkeit des Modells
- Ist das Projekt auf andere Regionen übertragbar?
- Sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für das Projekt bekannt? (Leitfragen: Welches gesellschaftliche Problem soll das Projekt lösen? Wie löst das Projekt das Problem für die Zielgruppe?)
- Ist das Projektkonzept so einfach und standardisierbar, dass es auch von anderen Personen in anderen Regionen durchgeführt werden kann?
- Kann die Wirksamkeit und der Erfolg des Projektes nachgewiesen werden, um andere zu überzeugen?
- Was spricht dafür, dass das Projekt auch anderswo erfolgreich und wirksam sein kann?
Best Practice
Der Verein Über den Tellerrand wurde 2015 in Berlin gegründet und schnell wurde klar: Das einfache Konzept, Menschen unterschiedlicher Kulturen beim gemeinsamen Kochen ungezwungen kennen zu lernen und kulturelle Vorurteile abzubauen, funktioniert. Zahlreiche Anfragen mit dem Wunsch, das Konzept auch in anderen Groß- und Kleinstädten umzusetzen, zeigten den überregionalen Bedarf an dem Format. Das Berliner Team war motiviert, seine Erfahrungen und sein Wissen zu teilen, und schaffte es mit Hilfe einer Förderung die notwendigen finanziellen und zeitlichen Ressourcen für die Skalierung zu akquirieren. Die niedrigschwellige Idee des gemeinsamen Kochens bot eine vielversprechende Grundlage für eine einfache Übertragung auf andere Standorte.
Tipp 2: Findet die passende Methode für die Skalierung
Wenn es darum geht, möglichst viele Menschen mit einem wirksamen Projekt zu erreichen, können verschiedene Wege zum Ziel führen: Die einfachste Form der Verbreitung ist sicherlich die Weitergabe des Wissens über ein Handbuch. Man kann aber auch mit Kooperationsverträgen arbeiten oder das Projekt in Eigenregie in anderen Regionen etablieren.
Zwei wichtige Fragen können dabei helfen, die richtige Strategie für eure Non-Profit zu wählen:
- Seid ihr bereit, euren Ansatz mit anderen zu teilen und damit notwendigerweise Kontrolle abzugeben? Oder ist es für eure Non-Profit wichtig, die volle Kontrolle über den Projektansatz und dessen Umsetzung zu behalten?
- Wie viel Zeit und Geld seid ihr bereit, in die Verbreitung des Projekts zu investieren? Jeder Projekttransfer hat seine Kosten: Ein Handbuch muss geschrieben, neue Partner*innen müssen gefunden und Verträge geschlossen werden. Auch wenn die Höhe dieser Transferkosten nicht auf den Cent genau im Voraus berechnet werden kann, ist die Frage, ob man eher wenig oder viel in den Projekttransfer investieren möchte, von entscheidender Bedeutung.
Die Antworten auf diese beiden Fragen helfen euch dabei, eine passende Strategie für die Skalierung auszuwählen. Während der Wissenstransfer und die Kooperation mit Verträgen insbesondere auf die Weitergabe des Projektes an andere Non-Profits abzielen, beziehen sich die Kapazitätserweiterung und die Strategische Ausdehnung auf die Verbreitung innerhalb einer bestehenden Non-Profit.
Der Wissenstransfer
Wenn ihr euer Projekt durch Wissenstransfer skalieren möchtet, bedeutet dies, dass ihr euer Projektkonzept anderen Non-Profits frei zur Verfügung stellt, die das Konzept dann eigenverantwortlich in vergleichbarer oder leicht angepasster Form bei sich vor Ort umsetzen. Während ihr als Projektgeber*in die Projektnehmer*in am Anfang etwa durch Informationen, (technische) Unterstützung oder Beratung bei der Implementierung unterstützt, findet später in der Regel weniger Zusammenarbeit statt.
Diese Form der Verbreitung ist im gemeinnützigen Sektor stark verbreitet. Sie birgt die geringsten Kosten und ermöglicht eine schnelle Verbreitung und optimale Anpassungsmöglichkeiten des Konzepts an lokale Gegebenheiten. Dafür bietet sie aber kaum Kontrollmöglichkeiten für die Projektgeber*in.
Kooperation mit Verträgen
Ihr könnt ein Projekt auch mithilfe von Kooperationsverträgen an andere, unabhängige Non-Profits weitergeben. Diese setzen das Projekt bei sich vor Ort um; ihr als Projektgeber*in habt dabei Kontrollmöglichkeiten, denn in den Verträgen sind gegenseitige Rechte und Pflichtengeregelt. Beispielsweise können darin die Bereitstellung von Ressourcen und Know-how durch die Projektgeber*in sowie Berichtspflichten, Lizenzkosten, Bedingungen für die Nutzung von Markenrechten und einzuhaltende Qualitätsstandards für die Projektnehmer*in geregelt sein. Während ihr als Projektgeber*in in diesem Fall stärker gestalten könnt, bringt eine Kooperation mit Verträgen gleichzeitig höhere Kosten und standardisierte Abläufe mit sich, und es bestehen weniger Spielräume für lokale Anpassungen und Agilität als bei der Verbreitungsmethode des offenen Transfers. Übrigens werden vier Vertragsarten für die Weitergabe von Projekten unterschieden: Weitergabe innerhalb von Netzwerkvereinen bzw. -verbänden, Lizenz-, Social-Franchise- sowie Joint-Venture-Verträge.
Kapazitäten in einer Region erweitern
Ein Projekt zu verbreiten, muss nicht immer bedeuten, dass der Ansatz an andere Non-Profits weitergegeben wird. Vielleicht möchtet ihr die Wirksamkeit eures Projekts in einer Region vergrößern, in der ihr bereits tätig seid, und dadurch mehr Menschen helfen, ohne dabei gleich an eine überregionale Verbreitung zu denken. Dies könnt ihr erreichen, indem eure eigene Non-Profit regional – in der Regel an einem Standort – wächst oder ihr bestehende Prozesse und Strukturen so optimiert, dass ihr mit der gleichen Menge an Ressourcen mehr Menschen erreichen könnt. Viele Pilotprojekte beginnen damit, die Wirksamkeit des eigenen Handelns in einer Region zu optimieren und erst danach eine überregionale Verbreitung anzustreben. Die Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeiten bei dieser Verbreitungsstrategie sind dabei hoch.
Strategische Ausdehnung
Um mehr Menschen auch in anderen Regionen zu erreichen, könnt ihr auch Büros an anderen Standorten eröffnen. Die Büros sind nicht unabhängig, sondern rechtlich Teil eurer Non-Profit. Das bedeutet auch, dass die Non-Profit aus eigener Kraft die Kosten für die Verbreitung aufbringen muss, dafür behält sie aber auch die wesentliche Kontrolle über die Umsetzung, da das Projektkonzept nicht an andere Non-Profits weitergegeben wird. Eine strategische Ausdehnung eines Projekts kann auch bedeuten, dass eure Aktivitäten auf andere Zielgruppen ausgedehnt oder ergänzende Angebote erweitert werden.
Best Practice
Über den Tellerrand e.V. gründet 2015 das „Satelliten-Netzwerk“, um das Konzept des Kennenlernens beim gemeinsamen Kochen in möglichst viele Städte zu tragen: Jeder ist eingeladen, in seiner Stadt einen eigenen Über den Tellerrand-Standort (Satellit) zu gründen und das Projekt eigenständig durchzuführen. Der Berliner Verein dehnt sich strategisch aus und unterstützt motivierte Menschen aus anderen Regionen beim Start ihrer eigenen Community durch Wissenstransfer. Dazu gehören persönliches Coaching und Mentoring, Weiterbildung durch Workshops und Input auf einem jährlich stattfindenden Satellitenkongress, eine multimediale Toolbox mit Konzepten und Ideen, Vorlagen für Drucksachen (Flyer, Plakate, Visitenkarten etc.) und die Möglichkeit einer eigenen Unterseite auf der Website, auf der die Satellitenstädte Veranstaltungen ankündigen und Neuigkeiten verbreiten können. Durch die Skalierung des Projektes können auch Menschen in konservativ geprägten Strukturen im ländlichen Raum erreicht werden – eine Zielgruppe, die allein im sehr weltoffenen Berlin weniger leicht zu erreichen ist.
Tipp 3: Nutzt die Wirkungsanalyse als Qualitätssicherung
Die Wirkungsanalyse spielt bei der Verbreitung von Projekten eine wichtige Rolle. Zum einen als Grundlage für die Verbreitung, zum anderen zur laufenden Qualitätssicherung bei den zu skalierenden Projekten. Sie zeigt euch also, ob das Projekt auch tatsächlich Wirkung erzielt und bei einer Verbreitung auch eine Erhöhung der Wirkung zu erwarten ist.
Wenn ihr das Wachstum eures Projekts ins Auge fassen, ist daher zunächst eine Evaluierung sinnvoll. Evaluationen können die Wirksamkeit des Projekts bestätigen, Lücken im Konzept aufzeigen und Anhaltspunkte dafür bieten, welche Anpassungen notwendig sind.
Klar dargestellte Ergebnisse der Wirkungsanalyse helfen auch, andere Personen und Organisationen – vor allem potenzielle Projektnehmer*innen und Förder*innen – vom Projekt und seiner Verbreitung zu überzeugen. Der Blick von außen, durch eine externe Evaluation, erhöht die Legitimität und Reputation des Projekts. 3 Schritte führen zum Ziel.
Schritt 1: Qualität entwickeln und weitertragen
Im Zuge der Wirkungsanalyse im Ursprungsprojekt sammelt und dokumentiert ihr die Daten, lernt aus ihnen und wisst daher, ob, wie und warum das Projekt wirkt. Dies hilft nicht nur, eure Zielerreichung zu überprüfen, sondern auch, Erfolgskriterien zu identifizieren und Qualitätskriterien zu entwickeln. Diese Kriterien zu kennen und weiterzutragen ist ein wesentliches Erfolgskriterium für die Verbreitung von Wirkung.
Schritt 2: Qualität sichern
Damit ein*e potenzielle*r Partner*in euer Projektkonzept in gleicher Qualität umsetzen kann, benötigt sie, vor allem am Anfang, Informationen zum Aufbau und Ablauf des Projekts sowie zu Fragen der Wirkungsanalyse und Qualitätsentwicklung.
Die durch die Wirkungsanalyse gewonnenen Erkenntnisse könnt ihr für die Erstellung von Materialien wie Handbüchern oder auch Schulungen für Projektnehmer*innen verwenden.
Ist ein Projekt erfolgreich verbreitet, spielt die Wirkungsanalyse weiterhin eine wichtige Rolle bei der Qualitätssicherung. Bei einer vertraglich fundierten Partner*innenschaft oder bei der Gründung von Büros an anderem Standorten könnt ihr für das Reporting und die Qualitätssicherung ein einheitliches Berichtswesen nutzen, d.h., dass alle Projektnehmer*innen dem/der Projektgeber*in in etwa gleichen Zeitabständen und Formaten berichten. Bei einer offenen Verbreitung durch Wissenstransfer an unabhängige Organisationen sind die Möglichkeiten dagegen geringer, da der Austausch zwischen Projektgeber*in und -nehmer*in oft kaum über eine anfängliche Unterstützung hinausgeht. Hier ist es umso wichtiger, die Projektnehmer*innen für das Thema Wirkungsanalyse zu sensibilisieren und ihnen geeignete Materialien und Schulungen für die Umsetzung anzubieten.
Schritt 3: Potenziertes Lernen
Die Nutzung von Ergebnissen aus der Wirkungsanalyse zum Lernen ist für die verbreiteten Projekte ebenso wichtig wie für das Ursprungsprojekt. Durch ein einheitliches Berichtswesen wird es beispielsweise möglich, Ergebnisse unterschiedlicher Projektnehmer*innen miteinander zu vergleichen und daraus zu lernen:
- Was sind entscheidende orts(un)gebundene Erfolgsfaktoren?
- Welche Kriterien sind entscheidend dafür, dass das Projekt bei einer bestimmten Teilzielgruppe wirkt?
- Was kann ein*e Projektnehmer*in aus dem Erfolg des/der anderen lernen?
Durch eine Zusammenführung der Ergebnisse wird noch deutlicher, was wirklich wirkt, und es lassen sich Best Practices identifizieren. Die Erkenntnisse helfen nicht nur den Projektnehmer*innen untereinander, sondern auch der Projektgeberin, die auf dieser Grundlage das Projektkonzept verbessern und weiterentwickeln kann. So kann ein Lern- Netzwerk entstehen, das durch gemeinsames Lernen und eine laufende Weiterentwicklung und Verbesserung zur Verbreitung von wirkungsvoller Arbeit beiträgt.
Lesetipp: Um tiefer in das Thema einzusteigen, empfehlen wir euch das E-Book “Wirksam wachsen” der Stiftung Bürgermut.