Direkt zum Inhalt wechseln

Die Einstellung eines Projekts, ein Strategiewechsel oder gar Stellenabbau: Unangenehme Entscheidungen bieten für Organisationen jede Menge Konfliktpotenzial. Jörg Faber, Agiler und Systemischer Coach, erklärt, wie daraus nachhaltige Verbesserungen entstehen.

Ein drohender Jobverlust stellt eine existenzielle Bedrohung dar. Insbesondere altgediente Mitarbeiter*innen sehen in Strategiewechsel und Umstrukturierungen oftmals die Abwertung ihrer bisherigen Arbeit. Generell rufen Veränderungen und Neuerungen Ängste, Unsicherheiten und ein Gefühl von Machtlosigkeit hervor. Im Non-Profit-Umfeld kommt eine stark intrinsisch motivierte Identifikation mit Aufgaben und Projekten hinzu. Darüber hinaus ist der Ausgang von Änderungsprozessen und Konsequenzen für Organisation und Personal unvorhersehbar. All dies macht die Akzeptanz von Änderungen und die Bereitschaft, sich einen solchen Prozess aufzubürden, umso schwieriger. 

Schritt für Schritt zur Umsetzung 

Gleichzeitig bieten herausfordernde Maßnahmen stets Chancen und sind oftmals unausweichlich. Doch welche Möglichkeiten habe ich, um schwierige Entscheidungen in nachhaltige Lösungen umzuwandeln? Aus meiner Sicht sind drei Schritte ausschlaggebend: Mit der Entscheidungsfindung legen wir die Grundlage für Erfolg oder Misserfolg, bei der Kommunikation lässt sich viel verbocken und wir sind zum Scheitern verurteilt, wenn wir bei der Umsetzung nicht planvoll vorgehen. 

1. Die Entscheidung treffen 

Im ersten Schritt trefft ihr euren Entschluss und macht euch euch gleichzeitig Gedanken darüber, was ihr erreichen wollt und wie ihr dort hingelangt.

Zielklarheit

Ihr solltet euch im Klaren sein, warum und mit welchem Ziel ihr diese Entscheidung trefft. Es ist notwendig, dass ihr einen Entschluss fasst, der eurer Organisation dient und nicht etwaigen persönlichen Zwecken. Unangenehme Beschlüsse dürfen nicht aus einer Laune heraus getroffen werden. Weil sie das Potenzial haben, Irritationen und Schlimmeres hervorzurufen, ist es ausschlaggebend, dass sie ein eindeutiges Ziel haben. Im Zweifel ist es die Verbesserung der aktuellen Situation. Das Warum muss klar sein.

Wenn ihr in der Lage seid, schlüssig und entschieden zu erklären, weshalb eine Veränderung nötig ist und welche Absichten damit verbunden sind, werdet ihr eher Unterstützung und Vertrauen erhalten.

Hier ein paar Fragen, die bei der Entscheidungsfindung helfen:

  • Was soll durch die Entscheidung anders werden? 
  • Wer profitiert von der Entscheidung? 
  • Welche Fähigkeiten und Ressourcen benötigt ihr, um das Problem zu lösen? 
  • Wer hat etwas zu verlieren?
  • Was könnte euer persönlicher Gewinn sein?
  •  Was könnte für die Beurteilung der Situation hilfreich sein?
  • Stellt euch vor, ihr habt die Entscheidung getroffen. Wie fühlt sich das an?
  • Stellt euch vor, die Entscheidung ist getroffen worden und die nötigen Maßnahmen sind umgesetzt. Wie fühlt sich das an?  
  • Angenommen die Entscheidung wäre getroffen und die Probleme wären behoben, welche Möglichkeiten würde dies eröffnen?
  • Stellt euch vor, ein Wunder ist passiert und über Nacht hat sich das Problem gelöst, was würdet ihr als Erstes, als Zweites, … tun?  

Motivation klären

Führungskräfte treffen gerne unpopuläre Entscheidungen, um Durchsetzungsfähigkeit zu beweisen. Doch wenn ein*e Chef*in meint, dass es ihm oder ihr an Durchsetzungskraft fehlt, ist das ein persönliches Problem, das anders gelöst werden muss.

Unterstützung suchen

Es hilft, öffentliche Rückendeckung von Kolleg*innen zu haben. Wichtiger jedoch sind Vertrauenspersonen, die bei der Entscheidungsfindung helfen. Und nicht, indem sie euch Mut zusprechen, sondern herausfordern. Je schwieriger diese Gespräche sind, desto besser.

Vorbereitung ist nötig

Steht beispielsweise ein Stellenabbau an, hat das weitreichende juristische und organisatorische Auswirkungen. Je nach Organisation setzt dies langwierige und komplexe Prozesse in Gang. Als verantwortliche Person solltet ihr den Ablauf, die relevanten Schritte und etwaige Fallstricke kennen. Ihr braucht einen groben und vor allem realistischen Zeitplan und solltet euch vorab fachliche Hilfe holen.

Ihr braucht einen Plan

Auch Entscheidungen, die keine rechtlichen Folgen haben, benötigen Vorbereitungen. Es reicht nicht, Restrukturierungen anzukündigen, sondern ihr braucht eine Idee, wie ihr diese erreicht. Welche Ressourcen und welches Wissen werden benötigt? Wer kann euch dabei unterstützen? Wie bezieht ihr die Organisation mit ein? Gibt es einen Zeitplan? Welche Art Neustrukturierung ist vorgesehen?

Ihr solltet eine Idee haben, wie ihr die Maßnahme umsetzen wollt. Das kann ein vollständiger Projektplan oder eine Prozessidee sein.

Alleine oder in der Gruppe entscheiden?

Oftmals müsst ihr solche Entscheidungen nicht alleine treffen. Das kann vorteilhaft sein, muss es aber nicht. Spätestens, wenn unterschiedliche Interessen einen gemeinsamen Beschluss unmöglich machen, habt ihr ein Problem. Hier hilft oft eine Schlichtung durch Dritte. Reichen die Mittel für eine externe Mediation, umso besser. Ansonsten fragt Kolleg*innen, die eine neutrale Perspektive einnehmen können.  

2. Die Kommunikation 

Die beste Vorbereitung bringt nichts, wenn ihr euer Vorhaben nicht überzeugend kommuniziert. In der Kommunikation lauern viele Fallen und Fettnäpfchen, die euch bei der folgenden Umsetzung das Leben schwer machen.

Einfach, klar und überzeugt

Müsst ihr eine schwierige Entscheidung verkünden, dann seid exakt in euren Aussagen. Kein “hätte”, “könnte” oder “sollte”. Fasst euch kurz und konzentriert euch auf das Wesentliche. Je eindeutiger und sicherer ihr den Entschluss verkündet, desto überzeugender seid ihr.

Verzichtet auf unnötigen Ballast. Braucht ihr eine Präsentation, um eure Entscheidung dazulegen? Eine freie Ansprache ohne Hilfsmittel wirkt oftmals souveräner und ist frei von Ablenkungen. Ausschweifendes Bedauern wird leicht missverstanden; Schuldzuweisungen helfen nicht weiter und schaffen eine destruktive Atmosphäre.

Ihr solltet im Wesentlichen folgende Fragen beantworten:  

  • Was wird passieren?
  • Warum passiert es?
  • Welches Ziel wird damit verfolgt? Wie soll die Zukunft aussehen?
  • Wie kommen wir dahin?

Das sind viele Informationen. Ihr müsst sie nicht im Detail beantworten, solltet aber in der Lage sein, auf alles eindeutig zu reagieren.

Dabei helfen zwei Übungen: 

  1. Fasst die Antworten auf die einzelnen Fragen jeweils in einem Satz zusammen.
  2. Fasst alle dieser Sätze erneut in einem finalen Antwortsatz zusammen.

Raum für Feedback

Je nach Art der getroffenen Entscheidung löst diese Unsicherheit aus. Deshalb solltet ihr den Kolleg*innen Raum für Feedback, Kritik und Alternativvorschlägen einräumen. Gibt es eine bessere Lösung? Sehr gut, her damit. Nachzugeben ist kein Zeichen von Führungsschwäche, sondern vielmehr ein Ausdruck von Selbstsicherheit und Souveränität. Ihr dürft und sollt euch und eure Entscheidung angreifbar machen.

Aber Vorsicht: Wenn ihr von eurer Lösung überzeugt seid, solltet ihr nicht das Gefühl erwecken, dass sie zur Diskussion steht. Dennoch sollte es immer Raum für konstruktive Gegenvorschläge geben.

Ihr werdet es nicht allen recht machen. Bei schwierigen, unpopulären Maßnahmen gibt es immer Ablehnung, egal wie glaubhaft ihr seid. Skeptiker*innen könnt ihr mitnehmen, indem ihr sie bei der Implementierung einbezieht und durch verlässliches Vorgehen überzeugt. Verschwendet nicht eure Energie, indem ihr versucht, jede*n zu überzeugen.

Es ist natürlich, dass sich die Kolleg*innen untereinander austauschen, um ihrem Ärger Luft zu machen. Das ist ein wichtiges Ventil und sollte nicht unterbunden werden.

Vergangenes ist vergangen

Sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben, bringt nichts. Wir stehen uns nur bei der Lösungsfindung im Weg. Schuldzuweisungen kosten Zeit sowie Energie und richten häufig großen Schaden an. Die vermeintlich objektive Aufarbeitung der Vergangenheit funktioniert nach meiner Erfahrung nie. Dem stehen die Interessen und Sichtweisen der Beteiligten im Weg. Keiner will am Ende schuld sein. Die Ursachen liegen ohnehin zu weit im Gestern und sind zu komplex, als das eine echte Auflösung rückblickend möglich wäre.

Was hilft, ist folgende Haltung: Diejenigen, die in der Vergangenheit entschieden haben, handelten mit den besten Absichten und trafen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Informationen die bestmöglichen Entscheidungen.

Damit fällt der Blick zurück einfacher und verstellt nicht mehr den Ausblick nach vorne. Wenn wir darauf verzichten, Geschehenes mühsam zu sezieren, steht der Umsetzung von Lösungen nichts im Weg. So kommen wir ins Handeln, um gemeinsam Lösungsansätze erarbeiten. Im Idealfall erreichen wir damit mehr für das Miteinander als alle Teamevents, Obstkörbe und salbungsvollen Ansprachen zusammen. 

3. Nach der Entscheidung ist vor der Umsetzung 

Unangenehme Entscheidungen sind verzwickt, weil wir Angst vor dem haben, was sie auslösen. Daher ist es umso wichtiger, rasch ins Handeln zu kommen.

Schnell und konsequent

Ob ein Entschluss falsch war, zeigt sich erst, wenn er sich in der Realität bewährt. Je eher wir es herausfinden, desto schneller können wir nachjustieren.

Unpopuläre Maßnahmen sollten rasch umgesetzt werden. Dabei gilt: Je schwieriger, je unbeliebter, je einschneidender, desto schneller. Kein Mensch wird Verständnis dafür aufbringen, wenn ihr unwillkommene Schritte ankündigt, die angeblich zum Überleben der Organisation notwendig sind, und nach der Ankündigung passiert nichts, weil ihr noch am Plan bastelt.

Verlässlichkeit

Ihr habt ein Konzept, um eure Organisation aus der Misere zu führen? Sehr gut, dann sorgt dafür, dass es mit großer Zielstrebigkeit und ohne Verzögerungen umgesetzt wird. Haltet euch an das, was ihr angekündigt habt. Gibt es Veränderungen, so kommuniziert sie. Die Kolleg*innen müssen jederzeit das Gefühl haben, auf dem Laufenden zu sein.

Das Ziel ist klar, der Weg noch nicht?

Sorgfältig ausgearbeitete Strategien und kugelsichere Pläne sind auch nur Thesen, die sich erst in einer fernen Zukunft beweisen müssen. Wir geben uns gerne der Illusion eines vermeintlichen planvollen Vorgehens hin. Wenn die Herausforderungen neu sind und durch unbekannte Gewässer führen, geben ausgefeilte Konzepte nur ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Oft scheitern diese Fahrpläne krachend an der Wirklichkeit. Daher gilt es, das Vorhaben ohne Verzögerungen mit der Realität zu konfrontieren und somit die eigenen Thesen zu überprüfen.

Den Lösungsweg nicht zu kennen, bedeutet nicht Planlosigkeit. Besser als ein schlechter Plan ist ein guter Prozess. Ein agiles Herangehen, bei dem wir uns in kleinen, aufeinander aufbauenden Schritten an das Ziel heranarbeiten, mit regelmäßiger Betrachtung der Vorgehensweise und des Produkts, bringt schnell bewährte Ergebnisse. Eine eindeutige Zielformulierung sorgt für Klarheit, Agilität hilft, dieses Ziel zu erreichen, wenn es holprig wird.

Stellt euch die Herausforderung als Zwiebel vor. Mit jeder Schale, die ihr ablöst, dringt ihr weiter zum Inneren vor, gewinnt dabei Erkenntnisse und werdet in eurem Handeln immer besser.

Praxisbeispiel

Stellt euch folgende Situation vor: Aufgrund eines unausweichlichen Stellenabbaus muss euer Unternehmen schlanker und effizienter werden.

Anstatt zu überlegen, was mehr Effizienz oder eine schlankere Organisation bedeuten, legt ihr direkt mit der Reorganisation eines recht profanen Ablauf los, wie beispielsweise die Urlaubsplanung. Das macht ihr im Team mit Kolleg*innen aus allen Abteilungen.

Nach zwei Wochen bewertet ihr das Produkt und den Prozess. Ihr beurteilt nicht nur die neue Urlaubsplanung, sondern auch die Zusammenarbeit. Anschließend macht ihr mit dem nächsten Projekt weiter.

Ihr entwickelt so in kurzer Zeit gemeinsam ein Ergebnis, das direkt getestet wird, und lernt dabei etwas über eure Arbeitsweise. So werdet ihr besser und schneller und könnt euch an komplexere Fragestellungen heranarbeiten.

Das ist der Kern des sogenannten agilen Arbeitens. Agile Frameworks wie Scrum und Kanban bieten neben erprobten Systematiken vielerlei Vorteile. Die Selbstorganisation und die Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachrichtungen werden gefördert, gleichzeitig verlieren so komplexe Herausforderungen ihren Schrecken. Jede Einrichtung, die sich darauf einlässt, kann Agilität selbst einführen. Es braucht dafür keine Berater*innen, Coaches oder Trainings. Nur Offenheit und Mut.

Wenn ihr dann nicht nur euer Ziel erreicht habt, sondern noch eine neue (agile) Methode einführen konntet, habt ihr verdammt viel geleistet. 

Gefahr und Chance zugleich

Unangenehme Entscheidungen sind Gefahr und Chance zugleich. Fehlende Zielklarheit, mangelhafte Kommunikation und zögerliches Vorgehen ziehen den Karren nicht aus dem Dreck, sondern versenken ihn vollständig. Mit Zielstrebigkeit, Offenheit und planvollem Prozedere meistert ihr auch schwierige Herausforderungen und stärkt eure Organisation nachhaltig.  

Experte: