Die häufigsten Fragen & Antworten zur politischen Betätigung gemeinnütziger Organisationen
Stand: April 2022
Viele Non-Profits haben eine klare Haltung: Sie wollen gesellschaftliche Wirkung erzielen und auch politische Outcomes erreichen. Deshalb haben die Einführung eines Lobbyregisters auf Bundesebene und verschiedene Urteile zur politischen Betätigung in der Non-Profit-Szene für Unruhe gesorgt.
Dabei gilt nach wie vor: Eine gemeinnützige Körperschaft muss keine apolitische Veranstaltung sein! Politische Betätigung und auch politische Einflussnahme sind möglich.
Allerdings gelten dafür Einschränkungen und Auflagen, und die sollten Non-Profits kennen. So müssen politische Aktivitäten zu den Satzungszielen passen und dürfen die Grenze zur Parteiarbeit nicht überschreiten. Außerdem kann unter Umständen eine Eintragung ins Lobbyregister notwendig werden.
Wie soll man die Gesellschaft verändern, ohne politisch zu sein?
Für viele gemeinnützige Organisationen hat die Arbeit stets auch eine politische Komponente. Wer sich ökologische, soziale oder kulturelle Ziele setzt, will damit immer auch gesellschaftlich Veränderungen erreichen, unterstützt bestimmte politische Entscheidungen und lehnt andere ab.
Die Gerichte haben in den letzten Jahren der politischen Betätigung gemeinnütziger Körperschaften Grenzen gesetzt. Sie haben jedoch auch festgestellt, dass ein e.V. oder eine Stiftung kein apolitisches Neutrum sein muss. Die Gemeinnützigkeit lässt Spielräume für politisches Engagement. Wer sie nutzen möchte, sollte aber wissen, ab wann Probleme drohen. Und in bestimmten Fällen ergibt sich eine Eintragungspflicht ins Lobbyregister.
Was sagen die Gerichte zur politischen Betätigung gemeinnütziger Non-Profits?
Besonders wichtig sind drei Entscheidungen des Bundesfinanzhofs: die beiden
attac-Entscheidungen (BFH, 10.01.2019
– V R 60/17 und 10.12.2020
– V R 14/20) und eine Eilentscheidung zu einem Verein, der Behauptungen von
Corona-Leugnern verbreitet hatte (BFH,
18.08.2021 – V B 25/21).
Der Bundesfinanzhof war als oberstes Steuergericht
zuständig, weil es um die Gemeinnützigkeit und damit um Steuerprivilegien ging.
Um was ging es im attac-Fall genau?
Mit diesem Urteil hat der BFH dem Trägerverein des globalisierungskritischen Projekts
attac die Gemeinnützigkeit gestrichen.
attac hatte in verschiedenen Kampagnen
sehr konkrete steuer- und finanzpolitische Ziele verfolgt. Der Verein mit dem
Satzungsziel politischer Bildung machte sich unter anderem für die Einführung
der 30-Stunden-Woche sowie einer Finanztransaktionssteuer stark und engagierte
sich für die Umwandlung eines hessischen Öko-Modehändlers in eine
Genossenschaft, um den Verkauf an einen Finanzinvestor zu verhindern. Die Vielzahl unterschiedlicher Kampagnen ging dem BFH zu weit.
Die Förderung
politischer Bildung als Vereinszweck war nach Ansicht der Richter keine
Rechtfertigung, um “zu konkreten
Handlungen aufzurufen und Forderungen zu tagespolitischen Fragen zu erheben“.
Politische Bildung bestehe nicht darin, der “eigenen … Auffassung in beliebig anmutenden Politikbereichen … Gehör zu
verschaffen”.
Oder wie der BFH es im zweiten Urteil zu attac formulierte: „Einflussnahme auf politische Willensbildung
und öffentliche Meinung ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck im Sinne
von § 52 AO“.
Allerdings ist in der Frage noch eine Verfassungsbeschwerde von attac anhängig.
Heißt das, eine gemeinnützige Körperschaft darf keine politischen Standpunkte vertreten?
Doch – das steht auch so im Urteil!
Wenn es um die satzungsgemäßen Ziele geht,
darf auch ein gemeinnütziger Verein oder eine gemeinnützige Stiftung für
bestimmte politische Maßnahmen oder Ziele aktiv werden.
Bei attac störte sich
der BFH jedoch daran, dass zu ganz verschiedenen Themen sehr konkrete Kampagnen
gestartet wurden. Satzungsmäßig wurden diese Initiativen nur durch “politische
Bildung” miteinander verklammert. Politische Bildung bedeutet gemäß der
BFH-Rechtsprechung nicht, auf ganz unterschiedlichen Gebieten jeweils eine ganz
konkrete Sache zu befürworten. Sie verlangt Offenheit. Außerdem kann eine Non-Profit nicht wie eine politische Partei agieren, sie muss parteipolitisch
neutral sein.
Und wie war die Sache mit dem Verein aus der Querdenker-Szene?
Dabei ging es um einen 2020 gegründeten Verein,
der laut Satzung das “öffentliche Gesundheitswesen” und das “demokratischen
Staatswesen” fördern sollte. Tatsächlich agitierte er gegen das Maskentragen
und andere Corona-Maßnahmen, verlangte Untersuchungsausschüsse und berief sich
auf das Widerstandsrecht im Grundgesetz (Art. 20 Abs. 4 GG). Der
Vereinsvorstand trat auf Querdenker-Demos auf.
Das hatte für den BFH nichts mit Gemeinnützigkeit zu tun. Allerdings
bekräftigte das Gericht, dass Gemeinnützigkeit durchaus mit “einer gewissen
politischen Zielsetzung” verbunden sein kann. Diese Aktivitäten müssen sich
aber aus dem gemeinnützigen Zweck ergeben. Das war im Fall dieses Vereins nicht
der Fall: Das verfassungsmäßige Widerstandsrecht gegen eine Beseitigung der
Demokratie ist kein Aspekt der Förderung öffentlicher Gesundheit.
Was droht, wenn uns aufgrund politischer Tätigkeit die Gemeinnützigkeit aberkannt wird?
Ein Verbot politischer Aktivitäten oder Stellungnahmen können die Finanzgerichte nicht aussprechen. Aber die gemeinnützige Organisation verliert ihre Steuerprivilegien, zum Beispiel die Steuerfreiheit von Einnahmen aus Zweckbetrieben oder die Umsatzsteuerbegünstigung.
Außerdem können Spender*innen ihre Unterstützung dann nicht mehr steuerlich geltend machen. Übrigens: Die neuere Rechtsprechung des BFH prägt auch die aktuelle Fassung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung, genauer die Hinweise zu § 52 AO.
Fazit: Was heißt das nun?
Unter dem Strich kann man festhalten:
- Solange die Aktivitäten zum Satzungszweck
passen, dürfen gemeinnützige Organisationen ihre Arbeit durchaus auch politisch verstehen. Ein Naturschutzverein kann dafür
werben, dass eine politische Initiative zum Schutz des Grundwassers Erfolg hat.
Eine NGO, die Frauen unterstützt, kann sich für Quotenregelungen oder feministisch
geprägte Lehrpläne einsetzen.
Schwierig wird es dann, wenn die gemeinnützige Organisation viele Schlachten an vielen Fronten kämpft, dabei jeweils eine bestimmte Position unterstützt und gegen andere Standpunkte opponiert – denn das ist die Beschreibung von Parteiarbeit. - Entscheidend ist außerdem, dass die politischen Aktivitäten eine klare Grundlage in der Satzung haben. Beruht das Engagement eher auf der gefühlten Selbstverortung im weltanschaulichen Spektrum, reicht das als Rechtfertigung nicht aus.