Innovationen fördern, das wollen alle. Aber es kommt darauf an, solche Innovationsprojekte von Anfang an nachhaltig aufzusetzen. Und hier wird es knifflig.
Ob Förder*innen lieber hippe neue oder doch eher etablierte Projekte unterstützen möchten: Beides ist gleichermaßen legitim, solange sie sicherstellen, dass das Förderprojekt spätestens zum Förderende hin finanziell und strukturell nachhaltig aufgestellt ist.
Zum Geleit: Langfristige Projektförderung, so wichtig!
Vorweg: Aus der Erfahrung von zwölf Jahren Analyse und Beratung philanthropisch-unternehmerischen Engagements möchten wir dafür werben, Projekte langfristig zu unterstützen, ideell wie monetär. Jedes Jahr investieren Förder*innen mehrere Milliarden Euro in Projekte gemeinnütziger Organisationen, von denen allerdings nur ein geringer Teil nach Ablauf der Förderung fortgeführt wird, obwohl sie sich als effektiv und zielführend erwiesen haben. Denn der Run auf Leuchtturm-Projekte hält unvermindert an.
So nachvollziehbar es ist, Neues ausprobieren zu wollen, verhindert dieser oft auf schnelle Ergebnisse fokussierte Ansatz eine nachhaltige Wirkung.
Schlimmer noch, nimmt diese Haltung bewusst einen ineffizienten Ressourceneinsatz in Kauf, eben weil Projekte jedes Mal bei Null anfangen und bereits investierte Mittel mit hoher Wahrscheinlichkeit rückstandslos verpuffen. Unserer Erfahrung nach wird von zehn Geschäftsideen eine zum Erfolg, drei erzielen okaye Ergebnisse, drei siechen langfristig dahin und drei erweisen sich bereits nach kurzer Zeit als Rohrkrepierer.
Wirklich innovative Ideen sind sehr selten; und die Lust auf Innovation sollte der Notwendigkeit geschuldet sein, dass es im jeweiligen Themenfeld dringend neue Handlungsansätze braucht.
Im Ergebnis dieses Innovationsdrucks entwickeln Non-Profits alle naselang neue Projekte – wohlwissend, dass es eigentlich die “bewährten” Projekte sind, die einen gesellschaftlichen Mehrwert bringen. So verlieren sie sich gezwungenermaßen im ständigen Krampf um Innovation, während sie – ebenfalls gezwungenermaßen – die eigentlich wirksamen Projekte vernachlässigen.
Wie lassen sich nun aber innovative Projekte finden und effektiv fördern?
Förderstrategie: Langfristiges Engagement vs. the new hot shit
Innovation beginnt mit der strategischen Ausrichtung des Förderansatzes. Hier helfen Förder*innen folgende Fragen:
- Mit welcher Art der Förderung wird am ehesten der Bedarf im Themenfeld gedeckt?
In einem Themenfeld, in dem es noch keine wirkungsvollen Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme gibt, ist eine Förderung innovativer Ansätze sinnvoll – beispielsweise könnte die Förderin ein Forschungsvorhaben unterstützen, das nach neuen Therapiemöglichkeiten für bislang unheilbare Krankheiten sucht.
In anderen Themenfeldern wiederum existieren womöglich bereits wirkungsvolle Projekte und Ansätze – hier wäre es erfolgversprechender, etablierte Projekte zu fördern und diese gegebenenfalls an andere Standorte zu verbreiten; sie zu skalieren.
Bei Projekten, die ihr Wirkungspotenzial bereits unter Beweis gestellt haben, sollte die Entscheidung für oder gegen eine weitere Förderung von der Frage abhängen, ob das Projekt weitere Finanziers hat. Ist das nicht der Fall, könnte die Innovation dann gerade darin bestehen, das Projekt neu auszurichten, sodass es sich künftig zu einem größeren Anteil selbst tragen kann oder für weitere Förder*innen attraktiv ist. - Welche Vorgehensweise entspricht der Förderin am ehesten? Sieht sie sich als Inkubatorin neuer Ideen und Ansätze – oder möchte sie ein Projekt über längere Zeit begleiten?
Inkubator*innen benötigen neben einer sehr guten Kenntnis der Bedarfe und Handlungsansätze vor allem eine gutes Händchen für vielversprechende Projekte.
Auf Dauer angelegte Förderpartnerschaften hingegen erfordern viele Fertigkeiten im langfristigen Projektmanagement und im Projektcontrolling.
Verfolgt eine Förderin beide Ansätze, sollte sie darauf achten, dass sowohl die neuen als auch die innovativen Projekte gleichermaßen Aufmerksamkeit bekommen.
Innovationen: Risiken einpreisen
Eine Förderin kann Innovationen unterstützen, Testballons finanzieren, sich auf unbekanntes Terrain wagen. Die Chancen, die sich hier bieten, sind groß – die Risiken sind es nicht minder. Daher ist eine gesunde Risikoabwägung, die alle Herausforderungen benennt und bewertet, unverzichtbarer Bestandteil einer wirkungsorientierten Förderstrategie vor dem Förderstart.
Nach dem Förderbeginn liegt das Risiko vor allem bei der Non-Profit. Förder*innen sind aber gut beraten, das Risikomanagement der Organisation von Anfang an zu begleiten und den offenen Austausch zu suchen. Beim Risikomanagement kommt es nicht so sehr darauf an, Risiken zu vermeiden, sondern ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln.
Folgende Risiken lohnen einer Betrachtung:
1. Risiken auf Seiten der Empfängerorganisation
Ein Risiko besteht darin, dass die gemeinnützige Organisation nicht ordnungsgemäß mit den Fördermitteln umgeht. Nur in sehr seltenen Fällen werden Fördergelder vorsätzlich veruntreut. Häufiger kommt es aber vor, dass Organisationen nicht professionell genug aufgestellt sind und Fördermittel nicht zielgerichtet eingesetzt werden. Absolute Sicherheit gibt es nie, dennoch können Förder*innen das Risiko durch eine reflektierte Auswahl ihrer Förderpartner*innen mindern.
Folgende Fragen sollten sich Förder*innen in diesem Zusammenhang stellen:
- Sollen junge, ehrenamtliche Initiativen unterstützt werden, bei denen unsicher ist, wie sie sich in den nächsten Jahren entwickeln? Oder doch eher etablierte Organisation zusammenarbeiten, die hauptamtliche Strukturen aufweisen?
- Ist das Ziel, in eine kleine Organisation zu investieren, damit der eigene Anteil am Erfolg umso sichtbarer wird? Oder ist es okay, eine größere, professionelle Organisation zu unterstützen, bei der die eigene Förderung aber nur eine unter vielen ist?
2. Risiken bei der Wirkung des Förderprojekts
Risikomanagement ist auch mit Blick auf ausbleibende Wirkungen gefragt: Warum erbrachte die Förderung nicht die erhofften Resultate? – Um Enttäuschungen zu vermeiden, helfen folgende Fragen:
- Wie sicher will bzw. muss es sein, dass die Förderung die intendierten Wirkungen erreicht? Gibt es den Freiraum zu experimentieren? Kann die Förder*in der Organisation zugestehen, dass sie experimentieren darf? Gibt es eine Fehler- & Lernkultur, die diesen Namen auch verdient?
- In welchem Zeitraum sollten sich die Wirkungen einstellen? Gibt es hinreichend Geduld, um in Projekte zu investieren, die erst nach längerer Zeit ihre Wirkung entfalten? Oder sollen so bald wie möglich die – dann vielleicht kleineren – Früchte der Förderung sichtbar werden?
- Wie wichtig ist es, dass sich die Wirkungen unmittelbar auf die eigene Förderung zurückführen lassen? Kann die Förderin damit leben, wenn Wirkungen nicht oder nur schwer nachweisbar sind?
3. Reputationsrisiken
Reputationsrisiken können entstehen, wenn die Förderin mit Projekten, Organisationen oder Themenfeldern in Verbindung gebracht wird, die umstritten oder unpopulär sind.
In der Abwägung helfen folgende Fragen:
- Wie groß ist die Bereitschaft, sich auch für Themen zu engagieren, in denen großer Dissens herrscht oder in denen man womöglich Anfeindungen ausgesetzt ist (etwa im Engagement gegen Rechtsextremismus oder in der Debatte um “Impfen schützt!”)?
- Ist die Förderin bereit, dass ihre Förderentscheidungen womöglich Kontroversen auslöst oder sie unerwartet in der Öffentlichkeit steht?
- Oder möchten sie vor allem Themenfelder, Organisationen und Projekte fördern, die vor allem positiv wahrgenommen werden?
Förder*innen, die mehrere Projekte fördern oder sich in verschiedenen Themenbereichen engagieren, können überlegen, wie sie das Verhältnis zwischen innovativen und etablierten sowie umstrittenen und weniger kontroversen Projekten gestalten möchten. Solange das Risikomanagement auf informierten Entscheidungen fußt, bieten sich insbesondere risikoaffinen Förder*innen viele Möglichkeiten, Haltung zu zeigen und fernab des Förder-Mainstreams in gesellschaftlich relevante Strukturen zu investieren.
Wie auch immer die Entscheidung ausfällt – entscheidend ist, dass sie in voller Absicht (und weniger zufällig) erfolgt. Ein Rückgriff auf die eigene Vision, Mission und Werte erleichtert die Entscheidung erheblich.
Innovative Projekte ausfindig machen
Falls einer Förderin innovative Projekte vorgeschlagen werden, sollte sie die Organisation fragen (und auch sich selbst) …
- worin genau die Innovation besteht,
- ob es sich tatsächlich um eine Neuerung handelt (und nicht doch um eine nur punktuelle Weiterentwicklung einer hinlänglich bekannten Idee)
- inwiefern die Innovation tatsächlich ein höheres Wirkungspotenzial besitzt als bereits bekannte Konzepte
- wie stabil die vermeintliche Innovation ist, wenn man sie 5-10 Jahre in die Zukunft denkt
- ob und welche Mittel es braucht, um die Innovation strukturell zu stabilisieren, sodass auch andere Akteure profitieren
Verdeutlichen sollten sich Förder*innen dabei stets:
- Kurzfristförderungen oder Leuchtturm-Projekte erzeugen nur sehr, sehr selten denselben gesellschaftlichen Mehrwert wie langfristig angelegte Projekte, die sich über mehrere Jahre hinweg einem gesellschaftlichen Problem widmen. Ein gutes Beispiel dafür sind Projekte aus dem pädagogischen Bereich und bei denen es um den Aufbau sozialer Beziehungen geht. So etwas braucht Jahre – und damit eine verbindliche und langfristige Förderung.
- Geld ist eine Sache, eine andere die dauerhafte ideelle Unterstützung. Aus vielen Gesprächen wissen wir, dass Non-Profits Sparringspartner*innen und Mentor*innen suchen, die sie nicht nur in der Startphase konstruktiv begleiten, sondern auch auf lange Sicht.
- So wichtig Innovationsfreude ist, so wichtig ist es, darüber nicht die Bedarfe der Organisation zu vergessen. Die gesellschaftlichen Probleme von heute lassen sich nur lösen, wenn die Organisation auch morgen noch stabil aufgestellt ist und sie über das Entwickeln innovativer Ansätze das Tagesgeschäft nicht vernachlässigen muss. Das impliziert, dass eine Förderung stets auch die Infrastruktur der Non-Profit in den Blick nehmen sollte.
Innovation ist kein Selbstzweck
Um innovative Ansätze ausfindig zu machen und weiterzuentwickeln, braucht es einen langen Atem. Unser Rat: Förder*innen sollten Organisationen Planungssicherheit geben, indem sie sie langfristig fördern und Ressourcen fürs Innovationsmanagement zur Verfügung stellen. So können wirksame Ansätze mit der gebotenen Sorgfalt weiterentwickelt werden, ohne dass das Tagesgeschäft leidet.
Selbstverständlich braucht der gemeinnützige Bereich Innovation! Aber er braucht genauso die Bereitschaft, erfolgreiche Projekte nachhaltig zu unterstützen. Die von vielen Förder*innen uns gegenüber geäußerte Erwartung, wirksame Modellvorhaben würden nach einer Anschubfinanzierung irgendwann von jemand anderem übernommen, ist reines Wunschdenken. Eine Förderin, die erreichen will, dass ein Dritter ein von ihr etabliertes Projekt weiterfördert, tut gut daran, diesen Dritten möglichst frühzeitig suchen und in die Planungen einzubeziehen.
Dieser Beitrag wurde ermöglicht mit Mitteln der Deutschen Postcode Lotterie. Danke!